21.06.2006 - PsA vs. IDL

Aus Dolex
Version vom 12. September 2006, 22:48 Uhr von Rossi (Diskussion | Beiträge)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Battle of Parties Thema

Der Sozialstaat - unverzichtbar als Freiheitsgarant! vom 21.06.2006

Beiträge

PsA

In der heutigen Zeit wird der Sozialstaat gerne als eine Institution diffamiert, die Menschen bevormundet und ihrer Freiheit beraubt. Dabei ist, wenn man den Sozialstaat eben nicht nur als Reperaturbetrieb des Kapitalismus betrachtet, das genaue Gegenteil der Fall.

Der Sozialstaat, als Instrument der Gestaltung der Gesellschaft eingesetzt, beraubt die Menschen eben nicht der Freiheit, sondern er ermöglicht ihnen Freiheit überhaupt! Viele soziale Errungenschaft, die insbesondere auch die Arbeiterbewegung durchgesetzt hat, haben den Menschen nicht weniger sondern mehr Freiheit und Unabhängigkeit gebracht.

Freiheit im neoliberalen Sinne mag die Freiheit von der Verpflichtung zur Solidarität sein, die Freiheit, die jedem zusteht, der hinreichend Geld hat, um sich die entsprechenden Freiheiten zu leisten. Aber jene, die eben nicht über das entsprechende Vermögen verfügen, werden in einer solchen Welt umso unfreier sein!

Sozialstaat und Regulierung nutzen den Schwachen der Gesellschaft! Es sind Einrichtungen, die die gesamtgesellschaftliche Solidarität organisieren, zu deren Organisation der freie Markt eben nicht in der Lage ist. Kapitalismus und Marktwirtschaft sind nicht sozial. Das Soziale kann ihnen nur ein regulierender und eingreifender Staat geben.

Welchesn Sozialstaat wollen wir?

Der Sozialstaat vermittelt Freiheit von der Abhängigkeit von Arbeitgebern. Er begrenzt die Macht der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmer, dem er von Marktes wegen überlegen ist. Der Sozialstaat sichert für alle wichtige Lebensrisiken ab, die der einzelne nicht zu tragen imstande ist. Die Ideologie der »Eigenverantwortung« blendet systematisch aus, daß weite Teile der Bevölkerung darauf angewiesen sind, daß es solidarische Systeme gibt, die ihre gesellschaftlichen Benachteiligungen ausgleichen.

Eine Ehefrau, deren Mann im Monat € 5000,- netto verdient, kann sich in der Regel aussuchen, ob sie zu Hause bei den Kindern bleiben will oder arbeiten gehen möchte. Eine Ehefrau, deren Mann im Monat € 1000,- netto verdient, kann dies in der Regel nicht. Sie kann es erst, wenn eine vernünftige und gestaltende Sozialpolitik es ihr ermöglicht!

Wir begreifen Sozialstaat als Verpflichtung des Staates, Solidarität zu organisieren. Jedem Menschen steht der freie Zugang zur medizinischen Versorgung ohne Ansehen seines Einkommens tatsächlich nur dann zu, wenn er nicht durch immer höhere Zuzahlungen belastet und im Ergebnis von der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen abegeschreckt wird.

Wichtig ist uns in einem solidarischen Sozialstaat, daß die Starken für die Schwachen einstehen, daß der Wert und das Ideal der Solidarität nicht länger als Ausbeutung der Reichen durch die Armen verstanden wird. Eigenvorsorge kann nur jener leisten, der auch finanziell dazu in der Lage ist, und viele Menschen sind dies eben nicht.

Soziale Sicherungssysteme in unserem Verständnis sind staatlich organisierte Systeme der Umverteilung, die vom Markt geschaffene Schieflagen korrigieren. Dabei streben wir keinen Einheitslohn für alle an, jedoch einen sozialen Ausgleich für jene, die sich die vielgepriesene »Eigenverantwortung« nicht leisten können. Als Beispiel setzt sich die PsA für eine solidarische und umfassende Bürgerversicherung ein, die nicht einfach nur eine Grundversorgung, sondern ein umfassender Schutz gegen Krankheitsrisiken ist. Wir setzen uns ein für ein solidarisches Rentensystem, in das auch Selbstständige, Beamte und Politiker einzahlen, das jedoch auf der Grundlage des Generationenvertrages beruht. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse wie Minijobs oder Ein-Euro-Jobs sind abzuschaffen, ein Mindestlohn einzuführen. Die Repressalien gegen Arbeitslose sind einzustellen, statt dessen ist darauf hinzuwirken, daß der EU-weite Lohndumping-Wettlauf eingestellt wird.

Werden Menschen in die Lage versetzt, einen eigenen, menschenwürdigen Lohn zu verdienen und nicht in Abhängigkeit der Marktmacht der Arbeitgeber zu stehen, ist Freiheit verwirklicht! Diese Freiheit ist durch den Sozialstaat abzusichern und gewinnt erst durch den Sozialstaat eine umfassende Wirkung auf alle Teile der Bevölkerung.

Der Sozialstaat wirkt somit eben nicht als Beschränkung der Freiheit, sondern geradezu als befreiend, als zwingende Voraussetzung für Freiheit! Der Markt gestaltet die Handelsbeziehungen, die in einer Gesellschaft bestehen sollen, der Sozialstaat jedoch gestaltet die Gesellschaft! Der Sozialstaat entscheidet darüber, in welcher Art von Gesellschaft wir leben.

IDL

Sozialstaat - unverzichtbar als Freiheitsgarant?

Die These zielt darauf ab, dass nur wer in gewisser sozialer Sicherheit lebt, auch in Freiheit leben kann. Das ist vom Prinzip her sicher richtig, nur gilt es im 21. Jahrhundert, die Maßstäbe für "soziale Sicherheit" nicht aus den Augen zu verlieren, und den Sozialstaat diesen Maßstäben anzupassen.

Um die Freiheitsgarantie - für alle! - einlösen zu können, muss sich der Sozialstaat an dem richtigen Maß orientieren. Es ist nicht immer besonders sozial, einfach Geld von den einen zu nehmen, und es den anderen zu geben, bis am Ende alle gleich wenig haben. Deshalb unterscheidet die Wissenschaft eigentlich auch zwischen dem Sozialstaat im positiven Sinne und dem Wohlfahrtsstaat, im negativen. In Deutschland werden die Inhalte des Wohlfahrtsstaates inzwischen als unverzichtbar für einen Sozialstaat vorausgesetzt. Und genau das ist das Problem.

"Sozial" ist für uns nicht zusätzlich, sondern synonym mit "gerecht" zu verstehen. Die angemessene - gerechte - Vergütung von Leistung, bzw. der Schutz des Eigentums ist mindestens so wichtig für empfundene Gerechtigkeit, wie die solidarische Hilfe in der Not. Erst beides zusammen ergibt die richtige Mischung in einer sozialen Gesellschaft! Ein Staat, der also zu Lasten der einen Seite der Medaille die jeweils andere zu stark gewichtet, ist vielleicht ein Sozialstaat, aber kein sozialer Staat mehr! Auch die schleichende Entmündigung des Bürgers durch immer mehr staatlich vorgeschriebene "soziale Wohltaten" ist insgesamt nicht sozial! Und schon gar nicht freiheitsfördernd. Denn die materielle Absicherung fördert nur dann die Freiheit, wenn sie sie an anderer Stelle nicht deutlich stärker beschneidet, mittels eingeschränkter Entscheidungsfreiheit.

Mit einem Sozialstaat, wie er in der BRD im Laufe der Jahre gewachsen ist, läuft die Gesellschaft aber genau in diese Gefahr, dass dieser Sozialstaat, anstatt Freiheit zu gewähren, Freiheit beschneidet. Und zwar nicht nur die Freiheit derjenigen, die ihn finanzieren müssen. Neben der Erscheinung, dass das viel beschworene "soziale Netz" von verschiedenen Leuten als Hängematte missbraucht wird, gibt es mittlerweile vor allem das Phänomen, dass es für viele zur Fessel wird. Zu hohe Lohnnebenkosten, die ja den ausufernden Sozialstaat finanzieren, verwehren vielen Menschen den Weg in die Arbeitswelt, weil gerade viele mittelständische Betriebe sich die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht leisten können. Hier sorgt das "soziale Netz", wenn es in der heutigen mutierten Form auftritt, auch dafür, dass diese Menschen in den sozialen Sicherungssystemen gefangen bleiben. Sie werden zwar von dem Netz getragen (also materiell unterstützt), aber es nimmt ihnen gleichzeitig die Freiheit einen Beruf zu ergreifen, in ihm neben dem Lebensunterhalt Selbstvertrauen, Freundschaften und Anerkennung der Kollegen zu finden. Dies ist nicht mehr sozial, sondern schlicht unsozial.

Ausserdem macht ein Sozialstaat übertriebener Größe volkswirtschaftlich arm, und damit die Gesellschaft insgesamt unfrei. Denn wie wir an den öffentlichen Kassen, die zu fast 2/3 von Sozialausgaben geplündert werden, sehen, ist das aktuelle Maß an Sozialstaat ganz offensichtlich nicht finanzierbar. Ist es denn ein besonderes Maß an Freiheit, dass gewählte Vertreter gar nicht mehr wirklich frei entscheiden können über das Geld, das ihnen zur Verfügung gestellt wird, weil es bereits 100mal in Form von Krediten ausgegeben wurde, oder fest gebunden ist in Sozialausgaben? Wir denken: Nein. Und ein Sozialstaat, der nur von einigen wenigen bezahlt wird, weil sie mehr erwirtschaften, als die große Masse, ist kein Sozialstaat, sondern ein Schmarotzerstaat, der eben diese Leistungsfähigkeit und -willigkeit erstickt.

Die exakte Diskussion, was konkret an Sozialstaat freiheitsfördernd ist, und was nicht, würde hier zu sehr ins Detail gehen. Man müsste jede Einzelmaßnahme des Sozialstaates genau daraufhin abprüfen, von gesetzlich A wie Arbeitslosenversicherung bis Z wie zahnärztliche Behandlung. Uns scheint allerdings anhand der finanzpolitischen Rahmendaten in Deutschland und des Ausmasses der Sozialstaatsbürokratie klar zu sein, dass der Sozialstaat in Deutschland ein Ausmaß angenommen hat, das seinem freiheitsfördernden Grundcharakter längst widerspricht. Der Sozialstaat KANN ein Garant der Freiheit sein, aber nur wenn er Maß hält. Und dieses Maß ist im konkreten Fall Deutschland weit überschritten.

Ergebnis

50 Stimmen für die PsA
35 Stimmen für die IDL
9 Enthaltungen

Die PsA gewinnt das BoP.

Weblinks