Chat-Transkript vom 18.11.2002

Walter Baier, Vorsitzenden der KPÖ

Thema: Neuwahlen in Österreich - Warum und wohin ?

: Walter_Baier hat den Raum betreten
Walter_Baier: Wir sind schon da, wo seid ihr?
Walter_Baier: Wo ist der Web-master?
Walter_Baier: Bis später, ciao
Walter_Baier: We are here!
: skintom_(SII) hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum betreten
skintom_(SII): Hallo Walter, sei gegrüßt
Walter_Baier: Hallo aller miteinander, hier spricht die KPÖ!
Moderator: Hallo an alle Anwesenden
skintom_(SII): Hallo
skintom_(SII): warten wir noch bis zum offiziellen Beginn ?!
Walter_Baier: Ja bitte, ich muss noch etwas erledigen
Walter_Baier: So, jetzt kann es losgehen
Moderator: Hallo und herzlich Willkommen beim dol2day-Chat. Wie zu Beginn üblich, möchte ich vorschlagen, dass sich jeder zunächst einmal vorstellt. Mein Name ist Andreas Hauser und ich werde den Chat heute moderieren.
skintom_(SII): Mein Name ist Tom Böhnert, im RL in Deutschland in der DKP organisiert, und werde versuchen ein wenig zu Co-Moderieren.
Walter_Baier: Ich heiße Walter Baier, bin 48 Jahre, habe Volkswirtschaft an der Wiener Wirtschaftsuniveristät absolviert, bin seit 1994 KPÖ Vorsitzender und Spitzenkandidat bei den Nationalratswahlen im November
skintom_(SII): Wir haben ja das Thema sehr allgemein formiliert, vielleciht willst Du, Walter, erstmal was zu den Schwerpunkten Deinerseits sagen ?
Moderator: Tom, möchtest Du zunächst ein paar einleitende Fragen stellen?
skintom_(SII): Gut. In Österrecih sind Neuwahlen schneller gekommen als erwartet, woran lags Deiner Einschätzung nach ? Dann ist sicher interessant, welche Chancen sich die KPÖ ausrechnet, mit welchen Inhalten sie punkten will. Und eine weitere Frage ist: Werden nciht viele, wie in der BRD ROT- GRün wählen , weil sie der KPÖ keine CHance einräumen ?
Walter_Baier: Inhaltlich geht es bei diesen Wahlen um folgende Punkte: 1. Privatisierungstop. Sowie in anderen kapitalistischen Ländern steht jetzt der Verkauf der Post, der Bahn, der Spitäler, der kommunalen Vekrehrsbetriebe, des Bildungswesens etc. auf der Tagesordnung. Wir sagen Grundversorgung ist keine Ware, sondern Recht und der Staat hat sie bereit zu stellen. 2. Gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen. Wahlrecht für ImmigrantInnen, Zutritt zum Sozialstaat. 3. Verteidigung, Ausbau und Modernisierung des Sozialstaates. 4. Gegen den Krieg und für österreichische Neutralität als Friedenspolitik
skintom_(SII): Ein weitere Themankomplex könnte später noch sein: Wird die KPÖ, auch angesichts der Wahlschlappe der PDS im September, sich in ihrer strategischen Ausrichtung eher an der Rifondazione Communista oder eher an der PDS ausrichten ?
skintom_(SII): Walter, ihr steht mit diesen Forderungen in der Konsequenz allein in Österreich ? Oder nehmen andere Parteien auch soclhe Forderungen in ihre Programmatik auf ?
Walter_Baier: Die Argumente sind klar und kommen im Wahlkampf gut an. Viele sagen aber: KPÖ-Stimmen sind verlorene Stimmen. Ich frage, ob nicht viel eher Stimmen für die SPÖ, die nicht sagt ob sie mit der ÖVP oder mit den Grünen koalieren wird, die sogar einen FPÖ-Finanzminister in der Regierung akzeptiert, verloren sind. Oder Stimmen für die Grünen, die jetzt sogar die Neutralität fallen lassen.
Moderator: Frage von cascadeur an Walter Baier:    "hi walter. ich freu mich dich hier lesen zu können. denkst du die KPÖ hat überhaupt eine chance in den nationalrat zu kommen. diesmal ja ziemlich sicher nicht, aber vielleicht in zukunft ?"
Walter_Baier: Die KPÖ ist keine linkssozialistische Partei wie die PDS, von daher steht ihr die Rifondazione identitätsmäßig näher. Im übrigen halte ich das Parteiverständnis und das strategische Konzept für außerordentlich interessant.
skintom_(SII): @Walter : aber ich hatte den Eindruck bei vielen Diskussionen mit KPÖ-lern, zB auf dem letzten Volksstimmefest, daß da doch eine große Affinität zu PDS-nahen linkspluralistischen ausrichtungen zu spüren ist ?
Walter_Baier: Der Witz bezüglich Wahlchancen ist einfach der: die KPÖ wird ausgegrenzt aus den Medien, was ihre Wahlchancen natürlich mindert. Fakt ist aber auch, dass wenn uns nur die Hälfte der Leute, die uns inhaltlich recht geben, wählen würden, wären wir drinnen. Darum sage ich, entscheidend ist, nach Überzeugung zu wählen. Österreich braucht eine starke Linke, auch um den weiteren Rechtdrift der etablierten etwas entgegenzusetzen.
Moderator: Frage von cascadeur an Walter Baier:    "was ist dir wichtiger, walter. absolut an den dogmen festzuhalten oder doch einmal die chance auf mitsprache auch im parlament zu bekommen. oder glaust du wirklich dass in zukunft beides vereinbar sein wird ?"
Walter_Baier: Es gibt einen europaweiten Diskussionsprozeß der europäischen linken Parteien, zu denen selbstverständlich auch die PDS gehört. Die Parteien stehen ja vor dem selben Problem, nämlich eine gemeinsame strategische Alternative zum Neoliberalismus zu formulieren. Sowohl PDS als auch Rifondazione und auch die KPÖ vertreten die Auffassung, dass heutige gesellschaftsverändernde Politik die Pluralität der verschiedenen Bewegungen und Ansätze aufnehmen muss.
skintom_(SII): Da es aber eine solche Partei wie die PDS in Österreich nicht gibt, kann man sagen, daß die KPÖ die ANhänger soclher Positionen mit anspricht ?
skintom_(SII): Also im Sine einer gemeinsamen Linken eigentlich weiter ist als in der BRD ?
Walter_Baier: An Dogmen halten nur Religionsgemeinschaften fest. In der Politik geht es um Werte, wie soziale Gerechtigkeit, Emanzipation, Demokratie und andere. Die KPÖ hält an diesen Werten fest und versucht für sie Bewußtsein zu schaffen und auf Perspektive Mehrheiten in der Gesellschaft zu gewinnen. Außerdem gibt es historische Erfahrungen, z.B. die dass ein Zusammenhang zwischen Faschismus, Krieg auf der einen Seite und Kapitalismus auf der anderen Seite besteht. Also ich wünsche mir eine grundsatzpolitisch konsequente und in ihrer Methodik unortothoxe und undogmatische KPÖ.
Moderator: Frage von BaumMensch an Walter Baier:    "Herr Baier halten an der Ideologie der bisherigen kommunistischen Systeme fest, die ja auch die Menschenrechte aufs stärkste verletzen oder wollen sie vieles anders machen als es in anderen Kommunistischen Ländern der Fall ist?"
Walter_Baier: Tatsächlich, LinkssozialistInnen stehen in Österreich so wie linke und alternative Grüne vor der Frage, den Ausverkauf emanzipatorischer Prinzipien in ihren Parteien immer weiter mitzumachen, damit diese regierungsfähig bleiben, oder eine widerständige und oppositionelle Haltung einzunehmen, für die derzeit nur die KPÖ steht.
skintom_(SII): Aber oppositionelle HAltung widerspricht für die KPÖ nciht auch die MItarbeit in Parlamenten - einen Frage, die ja zB in der BRD seitens der PDS auf ihrem jüngsten Parteitag zur Streitfrage geworden ist.
Walter_Baier: Die KPÖ hat sich von den stalinistischen und poststalinistischen Systemen Osteuropas distanziert und in einem schmerzhaften inneren Prozess autoritären Formen kommunistischen Denkens überwunden. Ein Sozialismus des 21. Jahrhunderts wird ein demokratisch-partizipatorischer sein, er wird Menschenrechte respektieren und sie auch um soziale Gerechtigkeit erweitern, er wird ökologisch und feministisch sein. Auch deshalb wird eine neues kommunistisches Projekt der Zukunft pluralistisch erfasst sein, weil es viele Fanatsien und Hoffnungen zusammenfassen wird. Nur so wird die andere Welt, für die die globalisierungskritische Bewegung eintritt, möglich werden.
Moderator: Frage von cascadeur an Walter Baier:    "das bedeutet dass du in manchen punkten es dir auch vorstellen könntest von derzeitigen positionen abzurücken, wenn sie sich als überholt herausstellen würden? oder sind genau das die werte, an denen du eben keinesfalls rütteln wirst ?"
Walter_Baier: Ich glaube in der PDS ist darüber gestritten worden, unter welchen Bedingungen sich Linke an Regierungen beteiligen können und sollen. Aus meiner (österreihcishcen) Sicht: Jede Regierung die nach dem 24. November gebildet werden wird und sich auf die EU-Verträge von Maastricht und Amsterdam, sowie den Stabilitätspakt stellt, wird die Privatisierungen fortsetzen - zum Schaden der Beschäftigten und der BenützerInnen - wird den Sozialstaat zusammenstutzen udn wird die österreichische Neutralität auf dem Altar der EU-Armee ofpern. Dagegen muss man opponieren. Die Grünen wollen aber nicht mehr opponieren, sondern wollen regieruen. Parlamentarische Opposition, wie sie die KPÖ versteht, wäre vor allem eine Unterstützung für selbstbestimmten Widerstand der Menschen außerhalb der Gremien.
Walter_Baier: An Werten möchte werde ich nicht
skintom_(SII): Hat aber Österreich sich nicht schon lange, durch den Zusammengang in der EU incl. €uro MAastrich und Amsterdam unterworfen ?
Walter_Baier: An sozialistischen und kommunistischen Grundwerten, die für Emanzipation, Gleichheit der Menschen und Solidarität stehen möchte und werde ich nicht rütteln. Ständig überprüfen muss man aber die Voraussetzungen für die Politik, die zur Verwirklichung dieser Werte durchgeführt wird. Überholte Positionen muss man aufgeben, Erneuerung ist ein ständiger Prozess der Selbstüberprüfung und Selbstkritik
Moderator: Frage von Poisonfree an Walter Baier:    "Wie siehst du die Zusammenarbeit zur SLP???"
skintom_(SII): ( vielleciht sollte Walter mal kurz für unsere BRD-ler sagen, was die SLP überhaupt ist ? )
Walter_Baier: Die österreichische Bevölkerung wurde über wichtige Konsequenzen des EU-Beitrittes hinters Licht geführt. Vor allem ist die EU kein gemeinnütziger Verein, sondern das Europa der Konzerne und ein neoliberales Projekt. Alles das kann aber kein Grund sein, keinen Widerstand zu leisten, nicht mehr zu opponieren, sich anzupassen. KPÖ steht für ein Nein zum Euromilitarismus, für die Durchsetzung europaweiter sozialer und ökologischer Standards, für europaweite Arbeitszeitverkürzung, gegen die Festung Europa und für offene Grenzen. Das erfordert Widerstand und Opposition.
Walter_Baier: Die SLP ist eine kleine trotzkistische Partei, die in Wien zu den Nationalratswahlen antritt. Die KPÖ arbeitet mit der SLP, wie mit andern linken Gruppen in verschiedensten Bewegungen zusammen
Moderator: Frage von Anti-Baier an Walter Baier:    "Warum sind Sie als Kommunist antistalinist?Waren Sie das schon immer?"
Moderator: Frage von Anti-Baier an Walter Baier:    "Können SIe sich bei Erneuerung präzesieren?Heißt das Abkehr von sozialistischen Grundwerten?"
skintom_(SII): @Walter Ist ein Ausdruck solchen Widerstandes nicht auch die internationele ZUsammenarbeit der LInken, ich erinnere hier an das jünst gewesene Sozialforum in Florenz, daß ja auch in der BRD nahezu totgeschwiegen wurde. Du, Walter warst dort, vielleciht könntest Du Deine Eindrücke wiedergeben ?
Walter_Baier: Weil der Stalinismus theoretische und praktische Negation kommunistischer Grundwerte darstellt. Tatsächlich habe ich als junger Kommunist dne verbrecherischen Aspekte des Stalinismus negiert, nicht wahrhaben wollen. Erleichtert wurde diese VErdrängung durch unbestreitbare Tatsachen, die den Anteil der Sowjetunion an der Niederringung des Faschismus. Das ändert aber nichts daran, dass auch hunderte österreichische KommunistInnen dem Stalinismus zum Opfer gefallen sind, und dass nur ein Kommunistmus zukunfsfähig sein wird, der autoritäre Denkstrukturen überwindet. Um zu präzisieren: Erneurung heißt nicht Abkehr von kommunistischen Grundsätzen, sondern in bestimmter Hinsicht die Rückkehr zu diesen.
Moderator: sorry, wir mussten den Server restarten
Walter_Baier: Florenz war der große Ratschlag der sozialen Bewegungen und der linken Parteien. 30.000 Leute haben über Alternativen zu Neoliberalismus, Rassismus und Krieg debattiert. Hier bildet sich neue politische Kraft in Europa, die auf Perspektive in der Lage ist, wirksame Opposition und wirksamen Widerstand auszuüben. 1 Million Menschen haben demonstriert, die größte Friedensdemo seit den 80iger Jahren.
Moderator: Frage von Grille an Walter Baier:    "Mir ist Ökologie in der Politik äußerst wichtig. Bei der KPÖ habe ich aber das Gefühl, dass dieser Punkt recht lasch behandelt wird. Wo liegen da deine Akzente?"
Walter_Baier: Die Sozialforen, die dieses Jahr auf allen Kontinenten stattfinden und den globalisierungskritischen Bewegungen in ihrer Pluralität eine strategische Plattform geben sollen, sind auch eine Herausforderung für die linken Parteien. Die meisten Parteien der alternativen europäischen Linken waren in Florenz vertreten und versuchten eine neue Zusammenarbeit mit den Bewegungen zu begründen.
skintom_(SII): Welche Rolle, KOmmt dabei den kommunistischen Parteien zu, inbesondere hier der KPÖ ?
Walter_Baier: Wahr ist, dass der neoliberale Kapitalismus die Ausbeutung der menschlichen und natürlichen Ressourcen bis zur Erschöpfung betreibt. Ökologisierung bedeutet für mich, dass das Mensch-Natur-Verhältnis nicht dem kapitalistischen Profit unterworfen sein darf, sondern dass es um eine neue Kultur, eine neue Ethik des Respekts geht. Vielleicht ist die Ökologiefrage der Hauptpunkt, andem sich der Kommunismus als neue Form der menschlichen Vernunft beweisen muß.
Walter_Baier: Welche Rolle wobei?
skintom_(SII): @Walter Rolle bei den 'neuen Bewegungungen' wie zB in Florenz
Walter_Baier: Wir sollen und wir wollen gemeinsam mit allen anderen, die den Kapitalismus nicht als Ende der Geschichte und als Weisheit letzter Schluß betrachten, gemeinsam über Alternativen diskutieren und gemeinsam an praktischen Alternativen arbeiten.
Moderator: Frage von zora2 an Walter Baier:    "Walter, kannst Du Dir eine verbesserte europaweite der sozialistischen und kommunistischen Parteien vorstellen? Welchen Stellenwert haben da Events wie das sozialipolitische Forum in Florenz? Welche Zusammenarbeit ist im Europaparlament möglich? "
Walter_Baier: Im Europaparlament gibt´s die gemeinsame Fraktion "GUE/NGL", die die linken Parteien und die nordisch-grün-linken Parteien zusammenfaßt. Derzeit wird das Projekt einer gemeinsamen europäischen linken Partei diskutiert. Bertinotti, Vorsitzender der Rifondazione Comunista, hat in Florenz einen sehr weitgehenden Vorschlag zur Gründung einer solchen Partei unterbreitet. Eine europäische linke Partei würde die einzelnen nationalstaatlichen Parteien ergänzen und selbstverständlich nicht ersetzen, die weiter als unabhängige Parteien bestehen bleiben. Sie wäre aber ein Instrument zur Mitarbeit in den sozialen Bewegungen und insbesondere im europäischen Sozialforum, sie würde auch bei den bevorstehenden Europaparlamentswahlen antreten. Die KPÖ arbeitet in diesem Vereinigungsprozeß konstruktiv mit.
Moderator: Frage von fraternité an Walter Baier:    "Wie steht die KPÖ zu den Grünen und speziell Van der Bellen. Immerhin sind die Grünen laut Herrn Khol "Radikalmarxisten"..."
Walter_Baier: Es geht meiner Meinung nach nicht, wie in der Frage formuliert, allein um eine "verbesserte Zusammenarbeit" sondern um die Schaffung eines neuen Instrumentes der alternativen und antagonistischen Linken auf europäischer Ebene.
skintom_(SII): Wie sollte so eine europäisch linke Partei aussehen ? Jede linke Partei kann MItglied werden ? Oder jeder einzelne ? KÖntest Du dieses KOnzept, daß wohl noch kaum bekannt ist, einmal genauer darlegen ?
Walter_Baier: Herr Khol versteht nicht viel vom Marxismus und wenn von Radikalität dann bestenfalls von rechter. Tatsächlich haben sich die Grünen aus einer gesellschaftskritischen Bewegung zu einer schmeichelweichen systemkonformen Partei entwickelt. Letztes Beispiel, dass Abgehen von der Neutralität, aber man könnte auch Van der Bellens Haltung zum Universitätsgesetz 2002 ("ist Gesetz und muß verwirklicht werden") oder zu den Studiengebühren ("theoretisch denkbar, weil dann der Student Kunde ist"). Was aber ist das für eine Logik, Universitäten als Unternehmen und Studierende als Kunden zu bezeichnen. Für mich sind Universitäten vor allem soziale Räume, indenen das REcht auf Bildung verwirklicht und ein Diskurs über die Wissenschaftsentwicklung demokratisch organisiert werden muß. Der neoliberale Wahnwitz besteht ja gerade darin, Demokratie und Effizienz einander gegenüber zu stellen und zu behaupten, Demokratie ist uneffektiv. Da macht der Herr Professor überall mit. Daher ist meine Haltung ihm und der derzeitigen Führung der Grünen gegenüber sehr kritisch.
Moderator: Frage von redguevara an Walter Baier:    "Welches Verhältnis hat die KPÖ zu den österreichischen Gewerkschaften?"
Walter_Baier: Ist alles noch in Diskussion. Unterschiedliche Parteien haben unterschiedliche strukturelle Vorstellungen, wahrscheinlich gibt es auch innerhalb der einzelnen Parteien unterschiedliche Überlegungen. Positiv an Florenz ist auch dass diese Debatte von der Rifondazione nun in Gang gesetzt worden ist.
Walter_Baier: KPÖlerInnen haben bekanntlich den ÖGB mitbegründet. Die KPÖ solidarisiert sich mit dem Grundgedanken der Gewerkschaften, nämlich eine demokratisch organisierte kämpferische Interessensvertretung für die abhängig Beschäftigten zu sein. Wie weit sich der ÖGB in den letzten Jahrzehnten von diesen Aufgaben und auch von inneren demokratischen Strukturen entfernt hat, kann jeder und jede sehen. Und dass das nicht gut für die Lohnabhängigen ist, liegt auch auf der Hand. Die Solidarität der KPÖ mit den Gewerkschaften ist daher kritisch, aber die Kritik an ihnen ist auch immer eine solidarische.
Moderator: Frage von Guinness an Walter Baier:    "Und: Was wäre für die KPÖ die einfachere Variante? Eine Neuauflage der blau-schwarzen Koalition, gegen die sie in "guter linker" Manier opponieren kann, und das als "Feindbild" die KPÖ-Basis motiviert, oder eine rotgrüne österreichische Regierung, bei der sie zeigen kann, wie sehr sie sich links von den Sozis und Grünen unterscheidet?"
Moderator: Frage von oleg1 an Walter Baier:    "Wie stehen sie zu Berlusconi?"
Walter_Baier: Berlusconi ist ein rechtsextremer Mafioso.
Moderator: Frage von cascadeur an Walter Baier:    "forderst du, fordert die KPÖ, also einen austritt aus der EU oder eine veränderung innerhalb der EU?"
Walter_Baier: Die beiden skizzierten Varianten können wir uns eh nicht aussuchen, ausserdem scheidet schwarzblau auf jeden Fall aus und rotgrün ist sehr unwahrscheinlich. Das schlimme an der Situation ist, dass hinsichtlich Privatisierungen, Sozialabbau und Neutralitätsabschaffung die Varianten leider austauschbar sind. An Rotgrün, das u.a. deshalb nicht zustande kommen wird, weil Alfred Gusenbauer ganz sicher nicht gegen die Kronen Zeitung regieren wird, beunruhigt mich: Enttäuschung ist programmiert. Die parlamentarische Opposition gegen unsoziale Politik würde dann wieder fast ausschließlich der FPÖ und Jörg Haider zufallen, der sie aufgurnd absehbarer Probleme mit der EU-Osterweiterung nationalistisch und chauvinistisch aufladen würde.
skintom_(SII): Welche Regierung also erwartest DU nach Deiner Einschätzung ?
Walter_Baier: Priorität der KPÖ ist, im Rahmen des ESF eine Alternative Europakonzeption durchzusetzen. Die KPÖ ist eine internationalistische Partei, die an der Entwicklung eines Netzwerks der Gewerkschaften, der sozialen Bewegungen, der linken Parteien und der NGOs im kontinentalen und im globalen Maßstab arbeitet. Durch gemeinsame Kämpfe können die Lebensbedingungen der Menschen auf unserem Kontinent verändert werden. Heraus zum 1. europäischen Generalstreik - beispielsweise gegen den bevorstehenden Krieg.
Moderator: Frage von Sir_Latenz an Walter Baier:    "wie ist deine Haltung zum Kriegsvorwand "Kampf dem internationalen Terrorismus"? Beispielweise USA - Irak, Israel - Palästina oder Russland - Tschetschenien"
Moderator: Frage von Anti-Baier an Walter Baier:    "Wie stehen Sie zu Krieg? Waren Sie nicht für den Angriff auf Jugoslawien zumindest indirekt,Sie haben den jugoslawischen Präsidenten stets kritisiert!"
Walter_Baier: Ich glaube, dass die "große Koalition" schon abgemachte Sache ist. Der Wahlkampf wird im Grunde nur um 2 Fragen geführt: Heißt der Bundeskanzler einer schwarz-roten Regierung (einschließlich eines blauen Privaitisierungsministers) Gusenbauer oder Schüssel. 2 Frage: Wird als Alternative zum prinzipienlosen Koalitionspoker linke Opposition sichtbar.
Walter_Baier: GEgen den Krieg der USA im Irak!!! Und selbstverständlich war ich auch gegen die 78tägige Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO. Dieser Krieg wurde wie alle anderen nicht gegen den Präsidenten, sondern gegen das Volk geführt. Weder im Irak noch in Afghanistan und auch Jugoslawien ging es der USA und der Nato um Menschenrechte oder Kampf gegen den Terrorismus, sondern es geht und ging um Öl, um Geld und um Weltherrschaft.
Walter_Baier: Tschetschenien: Auch der Feldzug Rußlands gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung dient nicht dem Anti-Terrorismus, genausowenig wie die Besetzung palästinensischen Gebietes durch die israelische Armee.
Moderator: Frage von fraternité an Walter Baier:    "Sehen sie, Herr Baier, die KPÖ bei den wahlen speziell für Schwule und Lesben auch als Alternative zu SPÖ, LIF und vor allem Grüns?"
Walter_Baier: Die KPÖ ist für die vollständige Gleichstellung aller Formen, in denen Menschen sich lieben, und in denen sie zusammenleben wollen.
Walter_Baier: Haben wir schon alle Fragen zur vollsten Zufriedenheit beantwortet?
Moderator: Frage von oleg1 an Walter Baier:    "Wi ist denn ihre Meinung zu Jürgen Möllemann?"
skintom_(SII): Walter, Du bist hier nun schon zum zweiten Male bei dol2day und stehst Rede und Antwort, daraus sehe ich, daß Du dem Medium INternet eine große Bedeutung zumisst. Ist dies ein Weg, der nicht auch besonderer Demokratisierung bedarf ? Immer wieder rufen Kräfte nach Zensur bestimmter Seiten, andererseits kann sich länst nicht jeder einen Internet-Zugang ( also eien PC ) zu Hause leisten. Wie steht die KPÖ zur Entwicklung und Demokratisierung dieses Mediums ?
Walter_Baier: Jürgen Möllemann ist durchgeknallt, aber Westerwelle nicht weniger.
Moderator: Frage von fraternité an Walter Baier:    "Für wie bedrohlich hält die KPÖ die Gefahr durch Rechtsextreme in Österreich im Moment?"
Walter_Baier: Ich find Internet gut. Linke Politik muß darauf achten, dass die bestehende Kluft zwischen "Info-Rich" und "Info-Poor" innerhalb der Gesellschaften und zwischen den einzelen Ländern nicht in Zukunft noch weiter auseinanderklafft. D.h. freier und kostenloser Zugang aller Menschen zu öffentlichen Informationen, die wichtig sind, um sich eine politische Meinung zu bilden, um das Leben zu bestreiten, etc.etc
Moderator: Frage von Erlan an Walter Baier:    "Wie hoch ist eigentlich die Gefahr, daß durch eine Wahl der KPÖ Rot/Grün verhindert wird und die ÖVP regiert? Oder das nachher noch Schwarz/Blau weiter ausgeht?"
skintom_(SII): Walter, ich möchte Dir danken, daß Du die Zeit gefunden hast, hier an diesem Chat teilzunehmen. Persönlich wünsche ich Dir und Deinen Genossen viel Erfolg weiterhin im Wahlkampf und natürlich auch bei den Wahlen. Besonders würde ich mich auch freuen, Dich bald wieder hier begrüßen zu können.
Walter_Baier: Ich glaube, dass wir eine große Welle des Chauvinismus und Rechtsextremismus in Europa vor uns haben. Jörg Haider bastelt nicht umsonst an einer europäischen Plattform der Rechten. Die "moderate Linke", also Sozialdemokraten und Grüne leisten dem Neoliberalismus weder praktischen noch kulturellen Widerstand. Das bedeutet, dass Frust und Verbitterung über Prekarisierung des Lebens, über Arbeitslosigkeit und Sozialabbau zunehmen und die Gefahr besteht, dass sie mit chauvinistischen und nationalistischen Bildern aufgeheizt wird. Auch deswegen halte ich für so wichtig, dass sich linke Kritik an der Globalisierung und an der EU deutlich von rechter Kritik und Nationalismus unterscheidet. Die Alternative liegt im Entstehen einer breiten sozialen Bewegung in Europa und einer klar konturierten antikapitalistischen Alternative unserer Parteien.
Walter_Baier: Ich bedanke mich recht herzlich für diese Möglichkeit und das freundliche und interessierte Publikum. Wir, das sind übrigens Poldi Pohl, Didi Zach und Walter Baier.
Moderator: Da es mittlerweile 21.00 Uhr ist, möchte ich den Chat gerne langsam beenden und mich bei Walter und bei Skintom für das Zustandekommen dieses Chats bedanken. Selbstverständlich gilt mein Dank auch allen Community Mitgliedern, die fleißig Fragen gestellt haben.
Walter_Baier: Als dann - tschüß und auf ein baldiges Wiederschreiben!
skintom_(SII): Tschüß, Danke und bis bald !
: Moderator hat den Raum verlassen
: Walter_Baier hat den Raum verlassen