Chat-Transkript vom 29.03.2005

Manfred Baldauf, stellv. Landesvorsitzender der FDP des Saarlandes, parlamentarischer Geschäftsführer

Thema: Stalking

: nick_(idl) hat den Raum betreten
: Manfred_Baldauf hat den Raum betreten
: Manfred_Baldauf hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Guten aben Herr Baldauf.
Moderator: Warten wir noch 2 Minuten bis wir anfangen ...
Manfred_Baldauf: Guten Abend!
: mirOslav_(ba) hat den Raum betreten
mirOslav_(ba): Guten Abend
Moderator: Hallo Miroslav
mirOslav_(ba): @MOD soll sich Herr Baldauf dann kurz vorstellen?
Moderator: So, dann fangen wir doch mal an.
Moderator: Mein Name ist Bartosz, ich bin von der Redaktion und Moderiere den Chat heute abend
Moderator: Vielleicht Stellen sie sich vor Herr Baldauf
Moderator: mirOslav_(ba)> Danke :)
Manfred_Baldauf: Ich stelle mich zu Beginn kurz vor. Mein Name ist Manfred Baldauf, 53 Jahre alt. Ich bin rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion im Saarland und praktizierender Anwalt.
Moderator: Kannst du dich auch kurz vorstellen Miroslav ...
Moderator: Da Miroslav nicht reagiert machen wir ohne seine Vorstellung weiter :) Die Community kennt ihn ja schon ....
Moderator: Das Thema heute ist Stalking. Was vesrteht man darunter ?
Manfred_Baldauf: Stalking ist das zwanghafte Verfolgen und Belästigen einer Person.
Moderator: Frage von Wildkirsch an Manfred Baldauf:    "Hallo Herr Baldauf ! wieso gibt es stalker - ? welche Motive haben solche Personen ?"
Manfred_Baldauf: Das ist schwer zu sagen. Aus der Erfahrung mit Mandaten kann ich sagen, daß es sich meist um Menschen handelt, die unter einer gescheiterten Beziehung leiden. Diese Menschen versuchen in einer Art zwanghaften Vorstellung mit dem ständigen Verfolgen, Anrufen, Ansprechen und emails die verloren gegange Beziehung wieder herzustellen.
Moderator: Frage von Rollenspieler an Manfred Baldauf:    "Stellt ein solch ein verhalten nicht Nötigung da oder brauchen wir besondere Gesetze ?"
Moderator: @Miroslav: Wenn du auch Fragen hast, dann kannst du die gerne zwischen durch stellen.
Moderator: Frage von Thelonius an Manfred Baldauf:    "Guten Abend"
Manfred_Baldauf: Richtig ist, daß derartiges Verhalten unter verschiedene bereits heute vorhandene Strafvorschriften eingeordnet werden kann. Dazu zählt z.B. der von Ihnen angesprochenen Tatbestand der Nötigung. Allerdings stellt das Verhalten des "Stalkers" im strafrechtlichen Sinne meist lediglich eine Belästigung dar. Auch das Gewaltschutzgesetz beschäftigt sich mit diesem Bereich. Allerdings macht sich der Täter nach diesem Gesetz erst dann strafbar, wenn er gegen eine gerichtliche Anordnung verstößt. Die vorhandenen Strafgesetze erfassen also nur jeweils Teilbereiche des Angriffsverhaltens des Stalkers. Dagegen würde eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung für das Opfer mehr Rechtssicherheit schaffen.
Moderator: Frage von Israel an Manfred Baldauf:    "WO ist die Trennlinie zwischen Strafbarkeit und bloßem Ärgernis?"
Manfred_Baldauf: Eine sehr interessante Frage! Allerdings ist eine erschöpfende Beantwortung generell nur sehr schwierig möglich. Sie müssen da von Fall zu Fall entscheiden. Eine Strafbarkeit wäre beispielsweise bei Nötigung gegeben. Wenn Ihnen jemand mit Gewalt droht, falls Sie nicht mit ihm ausgehen, wäre das Nötigung. Wenn Sie aber jemand ständig anruft, um Ihnen seine Liebe zu gestehen, wäre dies ein sehr unangenehmes Ärgernis. Eine strafbare Nötigung wäre damit noch nicht begangen.
Moderator: Frage von Wildkirsch an Manfred Baldauf:    "Was kann ich tun wenn Opfer eines stalkers bin ?"
Manfred_Baldauf: Als erstes sofort zum Anwalt. Dieser wird eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung des störenden Verhaltens und notfalls auch Unterlassungsklage einreichen. Auch wird der Anwalt überlegen, Schutzanordnung für Sie nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Täter zu beantragen. Danach kann zum Beispiel verboten werden, sich in einem bestimmten Umkreis ihrer Wohnung oder ihres Arbeitsplatzes aufzuhalten. Es kann ihm auch untersagt werden, zu Ihnen ins sonstiger Weise Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel durch Telefon, e-mail, Fax.
Manfred_Baldauf: @Thelonius: Guten Abend
Moderator: Frage von embei an Manfred Baldauf:    "Warum wird das Thema plötzlich so "modern". Gibt es das Problem erst seit kurzer Zeit? Und warum?"
Manfred_Baldauf: Das Problem existiert schon sehr lange. Ist aber bisher nie in das Bewußtsein der öffentlichung Meinung gedrungen. Beispiele von prominenten Opfern (Schauspieler, Sportler, Sänger, Politiker) haben bei den Medien aber auch den Strafvervolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Gerichte) das Bedürfnis aufkeimen lassen, den Opfern zu helfen. Diese öffentlich bekanntgewordenen Beispiele zeigten, dass den jeweiligen Opfern mit Hilfe der zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel nicht ausreichend geholfen werden konnte.
Manfred_Baldauf: Ergänzung: ohne prominente Beispiele wäre das Bewußtsein leider nicht in der heute erlebten Weise geschärft worden.
: Juergen_Klute hat den Raum betreten
: Juergen_Klute hat den Raum verlassen
Moderator: Frage von Israel an Manfred Baldauf:    "Strafbar ist also nur eine mit einem Verhalten verbundene Drohung?"
Manfred_Baldauf: Eine Drohung mit Gewalt ist dann strafbar, wenn ich von dem Bedrohten eine Handlung erzwingen will. Beispiel :"Ich bring Dich um, wenn Du nicht mit mir ins Kino gehst". Eine bloße Drohung ist nach heutigem Recht auch dann bereits strafbar, wenn dem Opfer ein Verbrechen angedroht wird. "Ich bring Dich um!" Nicht strafbar ist: "wenn du mit mir nicht ausgehst, bringe ich mich um."
Moderator: Frage von Giles an Manfred Baldauf:    "Was qualifiziert Sie eigentlich als Stalking-Experte?"
Manfred_Baldauf: In meinen 25 Jahren Tätigkeit als beratender Jurist und Rechtsanwalt habe ich mit mehreren derartigen Verhaltensweise von seltsamen Menschen zu tun gehabt. Ich nennen Ihnen gerne Beispiele. In einem konkreten Fall hatte sich der ExPartner einer Mandantin tagsüber und nachts stundenlang vor ihrem Haus aufgehalten. Im Wege der einstweiligen Verfügung konnten wir folgendes untersagen lassen: Er darf sich künftig der Mandantin nicht auf mehr als 100 Meter nähern. Er darf sie nicht ansprechen, weder persönlich noch mit Telefon oder sonstigen Medien, er darf sich der Wohnung der Mandantin nicht bis auf eine Entfernung von ca 300 Meter nähern.
Moderator: Frage von Corcoran an Manfred Baldauf:    "Stimmen Sie dem Vorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes zu, der kürzlich forderte, bei der anstehenden Anti-Stalking-Gesetzgebung recherchierende Journalisten explizit auszuklammern, auch wenn manche Recherchen durchaus als belästigend empfunden werden können?"
Manfred_Baldauf: In der Begründung zum Gesetzesentwurf des Bndesrats steht bereits, daß mit dem Tatbestandsmerkmal "unbefugt" die Tätigkeit zum Beispiel der Journalisten ausgenommen soll. Journalisten also nach wie vor recherchieren, vorausgesetzt, sie handeln der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit.
Moderator: Frage von *Mensch* an Manfred Baldauf:    "Was kann man tun, wenn ein "Stalker" trotz Androhung rechtlicher Schritte, usw. nicht "lockerläßt"? Einer Bekannten von mir geht es so..."
Manfred_Baldauf: nochmal: Journalisten dürfen also nach wie vor recherchieren. Vorausgesetzt, sie handeln im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit.
Manfred_Baldauf: Einstweilige Verfügung über den Anwalt beantragen, damit diesem Stalker die störenden Verhalten untersagt werden. Verstößt er gegen die Anordnung, macht er sich strafbar. Eine Androhung nützt leider in der Regel nichts!
Moderator: Frage von Israel an Manfred Baldauf:    "Was ist wenn Täter und Opfer in einem Haus wohnen?"
Manfred_Baldauf: Es gibt die Möglichkeit, den Täter mit gerichtlicher Verfügung aus dem Haus ausweisen zu lassen.
Moderator: Frage von Thelonius an Manfred Baldauf:    "Warum ist bzw war es in Deutschland so schwer gegen Stalker Gesetze oder Verordnungen zu erlassen?"
Manfred_Baldauf: Die Behörden waren sich der Problems nicht bewußt. Es hat leider erst viele Beispiele gebraucht, um das Problembewußtsein zu schärfen. Erschwerend kam hinzu, daß viele Opfer ihr Problem nicht nach außen tragen.
Moderator: Das Thema schein wirklich Interesse zu wecken, ich habe hier noch sehr viele Fragen aus der Community. Leider ist jetzt schon die Zeit um. Ein letzte Frage noch:
Moderator: Frage von rDa an Manfred Baldauf:    "Was für Möglichkeiten gibt es denn, wenn man über das Internet so massiv belästigt wird?"
Moderator: Frage von Michel_ an Manfred Baldauf:    "Gute Frage Dhana..."
Moderator: rDA=Dhana, nur zur Information an alle :)
Manfred_Baldauf: Wenn Sie die Person kennen, können Sie sich mit den oben beschriebenen Mitteln zur Wehr setzen. Beim Internetangriff besteht das große Problem, den Stalker zu identifizieren. Sobald Ihnen ein Name bekannt ist, können Sie rechtliche Schritte einleiten. Ich empfehle Ihnen, mit Ihrem Provider zu sprechen, ob dieser bestimmte Absenderadressen für Ihren email Account sperren lassen kann.
Moderator: Vielen Dank Herr Baldauf für Ihr Kommen. Das Thema ist sehr interessant, vielleicht können wir sie noch mal bei uns begrüßen. Danke auch an alle Fragensteller ...
Moderator: Ich hoffe es hat ihnen auch Spaß gemacht
Manfred_Baldauf: Ich bedanke mich ebenfalls und komme gerne bei Bedarf wieder! Ihnen allen auch einen schönen Abend.
Moderator: Ihnen auch ....
Moderator: Tschüss
Manfred_Baldauf: Auf Wiedersehen!
: Moderator hat den Raum verlassen
: Manfred_Baldauf hat den Raum verlassen