Chat-Transkript vom 01.02.2010

Michael Kauch, Vorsitzender des Bundesfachausschusses Soziales der FDP

Thema: Gleichstellung von Lesben und Schwulen

: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: Test
: Michael_Kauch hat den Raum betreten
Michael_Kauch: Guten Abend!
Moderator: Guten Abend Herr Kauch. Dann können wir beginnen :)
Moderator: Hallo und Herzlich Willkommen bei dol2day. Mein Name ist Fred Härtelt. Ich bin Redakteur und Altkanzler bei dol2day und werde den Chat heute moderieren. Erstmal danke dafür, dass Sie die Einladung angenommen haben mit uns zu diskutieren :)
Moderator: Zu Gast ist heute Michael Kauch (FDP). Herr Kauch ist Vorsitzender des Bundesfachausschusses Soziales der FDP. Thema des Chats ist die Gleichstellung von Lesben und Schwulen. Möchten Sie von Ihrer Seite noch etwas anfügen?
Michael_Kauch: Sehr gern. Noch scheinen wir hier ja allein zu sein
Moderator: Noch als Hinweis: der Chat ist öffentlich sichtbar aber nur ich sehe die Fragen (die ich Ihnen dann weiterleite). Wir können also starten.
Michael_Kauch: Zur Ergänzung: ich bin auch in der FDP-Bundestagsfraktion Berichterstatter für Schwulen- und Lesbenpolitik.
Moderator: Sehr gut. Dann beginne ich gleich mit der ersten Frage.
Moderator: Wann kann man Ihrer Meinung nach von einer 100%igen Gleichstellung von Lesben und Schwulen im Vergleich mit Heterosexuellen sprechen?
Michael_Kauch: Die 100%ige Gleichstellung ist erst erreicht, wenn nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen gleich sind, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz. Da haben wir trotz aller Fortschritte noch was zu tun.
Moderator: Beginnen wir mit den Fragen aus der Community.
Michael_Kauch: gern
Moderator: Frage von elVOsso: "Herr Kauch, in Diskussionen wird gefordert die Entwicklungshilfe für Länder einzustellen, in denen Schwulen und Lesben die Todesstrafe droht für nichts weiter als ihre sexuelle Orientierung. Teilen Sie diese Forderung?"
Michael_Kauch: Wir beginnen mit dem liberalen Entwicklungsminister Niebel eine Neuorientierung. Erstmals haben wir im Fall Uganda angedroht, dass die geplante Verschärfung der Anti-Schwulen-Gesetze nicht ohne Folgen für die Entwicklungshilfe bleiben wird.
Michael_Kauch: Erster Erfolg: der ugandische Finanzminister empfiehlt, die Parlamentsvorlage abzulehnen. Auf dem Weg wollen wir weiter gehen,
Moderator: Frage von Phönix: "Die Erweiterung des Grundgesetzes um den Passus einzufügen, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden kann ist vornehmlich an der FDP gescheitert (nachdem Hamburg, Berlin und Bremen dafür waren). Was sind denn die konkreten Gründe dafür?"
Michael_Kauch: Die Rechtspolitiker der FDP lehnen generell die zahlreichen Änderungswünsche zum Grundgesetz ab, wenn keine konkreten Rechtsänderungen damit verbunden sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner letzten Entscheidung das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Absatz 1 abgeleitet. Eine Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 erscheint daher nicht erforderlich. Außerdem ist der Grundrechtekatalog des Lissabon-Vertrages auch ohne Grundgesetzänderung geltendes Recht in Deutschland, so dass eine Änderung des Grundgesetzes nicht zwingend ist.
Moderator: Frage von muhkuh an Michael Kauch:    "Welche Schritte zur Gleichstellung der "homo-ehe" werden, unter der Schwarz-Gelben Regierung, auf jeden Fall durchgesetzt? "
Michael_Kauch: Wir haben im Koalitionsvertrag die Gleichstellung eingetragener Lebenspartner im Beamtenrecht des Bundes festgeschrieben. Außerdem haben wir beim Steuerrecht durchgesetzt, dass gleichheitswidrige Benachteiligungen bei den Steuern abgebaut werden. Beim Beamtenrecht also eine klare Einigung "volle Gleichstellung", bei der Steuer eine Angleichung. Noch kein 100%-iger Erfolg für die FDP-Position der vollen Gleichstellung, aber mehr als die SPD in den letzten vier Jahren gegenüber der CDU/CSU geschafft hat.
Moderator: Hamburg und Berlin haben schwule Bürgermeister, die Bundesrepublik einen schwulen Außenminister - gibt es über die Parteigrenzen hinweg unter schwulen Politikern einen besonderen Meinungsaustausch?
Michael_Kauch: Es gibt informelle Netzwerke, bei denen man sich austauscht.
Moderator: Frage von elVOssO: "In Großstädten gehören Schwule und Lesben zum öffentlichen Leben dazu. Auf dem Land aber auch an Schulen ist es für Homosexuelle noch immer ein Risiko sich zu outen. Wie sehen Sie den Stand der Entwicklungen?"
Michael_Kauch: In den Großstädten ist es definitiv einfacher, aber auf die Menschen auf dem Land sollte man nicht unterschätzen. Manchmal gibt es auch dort eine überraschende Offenheit. An den Schulen sieht es natürlich schwieriger aus, da junge Menschen in ihrer eigenen Selbstfindung oft noch nicht so selbstbewusst und stark sind. Hier ist es Aufgabe von Politik, durch schwul-lesbische Jugendzentren und gezielte Aufklärung an den Schulen ein besseres Klima zu schaffen. Die Landesregierung in NRW (mein Bundesland) finanziert z.B. solche Projekte.
Moderator: Frage von g²lenmeier an Michael Kauch:    "Homosexuelle werden in nicht wenigen Staaten dieser Welt immer noch durch Gesetze diskriminiert, wie kann der Westen auf Änderungen der nationalen Gesetzgebung in diesen Staaten einwirken?"
Michael_Kauch: das ist eine schwierige Gradwanderung. Man muss sich davor hüten, den Eindruck eines Kultur-Imperialismus zu erwecken. Gleichzeitig gilt es, für die universellen Menschenrechte einzutreten. Eine Mischung von Dialog und Druck (siehe der aktuelle Fall Uganda) erscheinen mir zielführend. Der Grad der außenpolitischen Intervention muss sich an den Erfolgschancen und an dem Ausmaß der Diskriminierung orientieren.
Moderator: Frage von Lloyd an Michael Kauch:    "Herr Kauch, was muß Ihrer Meinung nach in der Integrationspolitik getan werden, um mehr Akzeptanz für Homosexuelle zu erreichen? Gerade unter jungen muslimischen Männern gibt es ja oft starke Tendenzen zur Homophobie und zum "Machismus"."
Michael_Kauch: Notwendig ist hier Basisarbeit. Begegnung mit Migranten, aber auch Dialog von Schwulen und Heteros innerhalb der Migranten-Communities sind wichtig. Die FDP NRW fordert hier in der Landespolitik ein Modellprojekt. Eine erste Konferenz zu Homosexualität und Migranten hat bereits in Köln stattgefunden, sie war ein echter Erfolg. Schwierig ist der Dialog dabei, weil die meisten Migrantenverbände religiös geprägt sind und somit oft als Kooperationspartner ausfallen. Ein positives Beispiel zum Schluss: die Respect Games in Berlin, die Schwule und Jugendliche mit Migrationshintergrund durch Sport zusammenbringen
Moderator: Frage von Thurgood an Michael Kauch:    "Herr Kauch, hatte das AGG einen realen positiven Effekt auf die Gleichstellung von Homosexuellen?"
Michael_Kauch: Ich halte die Wirkung des AGG für überschätzt. Lediglich im Arbeitsleben sehe ich positive Effekte.
Moderator: Frage von muhkuh an Michael Kauch:    "Wie will man in der Schwarz-Gelben Regierung International mehr Rechte für Homosexuelle Menschen erreichen?"
Michael_Kauch: Indem wir die Botschaften stärker dafür sensibilisieren, bei Menschenrechtsverletzungen aktiv zu werden und zudem Homosexuellen-Organisationen als Teil der Zivilgesellschaft in ihre Arbeit zu integrieren. Außerdem durch das Entwicklungsministerium: Integration schwul-lesbischer Themen in den Menschenrechtsdialog sowie notfalls auch die Androhung von Einschränkungen der finanziellen Zusammenarbeit
Moderator: Frage von winkelmaß an Michael Kauch:    "In den westlichen Ländern dürften die Vorbehalte der christlichen Kirchen, besonders der katholischen Kirche und der evangelikalen Christen, ein nicht unwesentliches Hemmnis beim Ausbau der gesellschaftlichen Akzeptanz darstellen. Gibt es hier sinnvolle Möglichkeiten eines Dialogs mit diesen christlichen Gruppen und Institutionen (auch seitens der Politik) oder bleibt hier nur eine klare Anti-Haltung oder der Kirchenaustritt auf individueller Ebene bzw. Basisarbeit in den Gemeinden?"
Michael_Kauch: Basisarbeit in den Gemeinden ist gut, wenn man in der Kirche aktiv ist. Ich persönlich habe mich für den Weg des Kirchenaustritts entschieden.
Moderator: Frage von Botsaris an Michael Kauch:    "Guten Abend Herr Kauch. Ich würde gern wissen was Sie unter "Akzeptanz von Homosexuellen" genau verstehen, gerade in Bezug auf Aktionen mit Migranten. Warum sollten wir Muslime dazu zwingen, Schwule zu akzeptieren? Reicht geltendes Recht denn nicht aus, dass wir Menschen bestrafen, die Homosexuellen schaden (Beleidigungen oder schlimmeres)? Warum unbedingt unbedingt Programme, die eine allumfassende Akzeptanz bewirken sollen?"
Michael_Kauch: Gesellschaft braucht einen Zusammenhalt. Dazu gehört auch ein gemeinsames Wertefundament. Toleranz gehört in Deutschland dazu. Ich will keine Parallelwelten und schon gar keine No-go-Areas - egal ob für Schwarze oder für Schwule.
Moderator: Frage von g²lenmeier an Michael Kauch:    "Wenn Sie über ein universelles Menschenrecht sprechen (diese Meinung teile ich) wie kann es sein, dass mit Ländern wie z.B. Russland kein offener Dialog über die teils staatlichen, aber meist zivilen Repressionen gegenüber Homosexuellen geführt wird?"
Michael_Kauch: Gerhard Schröder hat Putin als lupenreinen Demokraten bezeichnet und so wurde Außenpolitik gemacht. Das muss sich ändern. Positiv ist, dass im Europarat jetzt ein Dossier über die Menschenrechtslage Homosexueller in Osteuropa zur Debatte steht.
Moderator: Frage von elVOsso "Wissen Sie, ob es hinter den Kulissen irgendwelche Probleme auf den bisherigen Auslandsreisen des Außenministers gab, die mit der sexuellen Orientierung zusammenhängen? Immerhin sind in einigen arabischen Staaten Homosexuelle von Strafverfolgung bedroht."
Michael_Kauch: Meines Wissens hat es keine Probleme gegeben. Im Gegenteil: da Westerwelle zum Teil seinen Freund mitbrachte, mussten einige Länder erstmals protokollarisch mit dieser Situation umgehen.
Moderator: Frage von Thurgood an Michael Kauch:    "Herr Kauch, was ist Ihre Wunschvorstellung? Was wollen Sie konkret im Bereich der Gleichstellung von Leseben und Schwulen erreichen?"
Michael_Kauch: Im Koalitionsvertrag haben wir eine Menge durchgesetzt: Gleichstellung der Lebenspartner im Beamtenrecht, Angleichung im Steuerrecht, Einrichtung einer schwul-lesbischen Stiftung, Einsatz gegen Diskriminierung in der Außen- und Entwicklungspolitik. Was fehlt ist das volle Adoptionsrecht und die Aufhebung von Diskriminierungen in der Reproduktionsmedizin.
Moderator: Frage von muhkuh an Michael Kauch:    "Zu Ihrer Antwort auf meine vorherige Frage: Heißt das, dass finanzielle Zusammenarbeit mit China eingeschränkt werden könnte, wenn diese nicht den Liberalisierungsprozess fortsetzen?"
Michael_Kauch: Die finanzielle Zusammenarbeit mit China wird ohnehin wegen Chinas guter Wirtschaftsentwicklung beendet. Das zeigt die Schwierigkeit für die Menschenrechtspolitik: Druckpotenzial haben wir nur bei den ärmeren Staaten. Bei China, Russland und Saudi-Arabien, um Beispiele zu nennen, haben wir außer öffentlicher Kritik und Debatten in internationalen Organisationen wenig Handhabe.
Moderator: Frage von Phönix: "Bei dol2day gibt es ja sehr verschiedene Umfragekategorien, u.a. auch Homosexualität. Gesellschaftliche eher homophobe veranlagte werden auch von dieser Kategorie quasi magisch angezogen. Es wird vermutet, dass sie mit ihrer vorgetragenen 110%igen Heterosexualität und durch "Homo-Bashing" im Grunde nicht andere sondern sich selbst überzeugen wollen. Verunsicherung als Triebfeder? Was denken Sie über diese immer wiederkehrende These und was könnte man hier konkret tun?"
Michael_Kauch: Das mag bei dem einen oder anderen zutreffen. Hier hilft nur Selbstbewusstsein von Schwulen und öffentliche Solidarität "wohlmeinender" Heteros. Im besten Sinne "gay pride"
Moderator: Frage von g²lenmeier an Michael Kauch:    "Mit dem Hinweis auf Schröder ist es jedoch nicht getan, wie wird der FDP Außenminister diesen Dialog in Zukunft mit Russland führen?"
Michael_Kauch: Richtig. Aber wir haben ja gerade erst angefangen.
Moderator: Frage von Suevia an Michael Kauch:    "Herr Kauch, von vielen Homogruppierungen geht heute ein bereits provokativer Selbstdarstellungszwang aus. Ist es nun - auch im Angesicht unserer Staatsfinanz - ratsam, weiter Staatsmittel in diese hyperaktive Schwulenszene zu pumpen? Nennen sie doch konkrete Beispiele, wo heute keine Gleichstellung herrscht!"
Michael_Kauch: Ich sehe in der Schwulenszene weniger Selbstdarstellungszwang als bei manch heterosexuellen Teilnehmern von Big Brother, DSDS oder Frauentausch. Es geht nicht um Selbstdarstellung, sondern die Finanzierung etwa von Jugend- oder Seniorenarbeit. Und von "Staatsmittel pumpen" kann man bei Summen unter 1 Mio. Euro kaum sprechen - mehr gibt kein Bundesland aus. Im Vergleich zu Vertriebenenorganisationen o.ä. kein Vergleich
Moderator: Frage von Thurgood an Michael Kauch:    "Herr Kauch, und wann wollen sie das volle Adoptionsrecht und die Aufhebung von Diskriminierungen in der Reproduktionsmedizin realisiert haben?"
Michael_Kauch: Mein Wunsch: sofort. Meine Einschätzung: das kann mit dem vollen Adoptionsrecht noch eine Legislaturperiode dauern.
Moderator: Da wir uns langsam dem Endes des Chats nähern würde ich gerne noch zwei - drei Fragen zu anderen Themen zulassen die auch ihren Arbeitsbereich betreffen.
Moderator: Frage von A. Keller an Michael Kauch:    "Welche konkreten sozialpolitischen Taten haben denn eigentlich die Wähler/innen von der FDP nach der Landtagswahl in NRW zu erwarten? Ich habe den Eindruck, daß die gesamte Bundesregierung bis dahin auf Zeite zu spielen plant."
Michael_Kauch: Unsere sozialpolitischen Projekte stehen im Bundestagswahlprogramm. Davon haben wir 4,6 Mrd Euro Steuererleicherungen für Familien und die Verdreifachung des Schonvermögens bei Hartz IV schon umgesetzt. Die Verbesserung der Anrechnungssätze bei eigener Arbeit wird folgen, ebenso die Reform der ARGEN, die laut Bundesverfassungsgericht neu geordnet werden müssen
Moderator: Frage von Grummel an Michael Kauch:    "MAl ein anderes Thema: Im internationalen Vergleich ist beinahe nirgends der Arzneimittelmarkt so illiberal und reglementiert wie in Deutschland, wie stehen Sie als Liberaler dazu, Herr Kauch?"
Michael_Kauch: Ich bin für Liberalisierungen bei den Apotheken, aber nur wenn deren Wettbewerber auch Nachtdienste leisten und die flächendeckende Versorgung sicherstellen. Rosinenpicken hilft nicht
Moderator: Kommen wir zur letzten Frage. Ich bitte um Verständnis, dass wir nicht alle Fragen stellen konnten.
Moderator: Frage von A. Keller an Michael Kauch:    "Wie stehen Sie als Sozialpolitiker zu den Plänen Ihrer Partei, die Kopfpauschale einzuführen, also die Sekretärin den gleichen Beitrag zahlen zu lassen wie ihr Chef?"
Michael_Kauch: Das ist ein beliebtes, aber falsches Argument. Denn zur Kopfpauschale gehört auch, dass Geringverdiener einen finanziellen Ausgleich aus Steuermitteln bekommen. Das heutige System bewirkt, ebenso zugespitzt formuliert, dass die Sekretärin die Ehefrau des Chefs subventioniert, wenn sie nicht arbeitet und in der gesetzlichen Versicherung familienversichert ist. Das finde ich nicht gerecht.
Moderator: Dann bedanke ich mich ganz herzlich im Namen der gesamten Community für das interessante Gespräch und wünsche noch einen schönen Abend. Danke. :)
Michael_Kauch: Ich verabschiede mich. Ebenfalls einen schönen Abend!
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