Chat-Transkript vom 05.03.2010

Prof. Dr. Mojib Latif, Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR Kiel

Thema: Klimawandel

: Moderator hat den Raum betreten
: Mojib_Latif hat den Raum betreten
Moderator: Hallo, schönen guten Tag.
Moderator: Wir haben noch etwa 10 Minuten bis zum Beginn, erst um 20.00 Uhr ist der Chat öffentlich.
Mojib_Latif: Guten Abend! Hier in Hamburg schneit es schon.
Moderator: In Kiel mittlerweile auch wieder. ... vielleicht können Sie gleich im Chat ja noch eine kleine Vorhersage machen?
Moderator: Ich bin übrigens der Internetkanzler, der Sie eingeladen hat, und ich werde heute den Chat moderieren.
Mojib_Latif: Ich fürchte, dass der Frühling bei uns im Norden sich etwas "verspäten" wird.
Mojib_Latif: Was macht eigentlich ein Internetkanzler?
Moderator: Ein Internetkanzler vertritt diese Community und ist sozusagend er Verwaltungschef. D.h. ich organisiere z.B. die Chats mit Politikern udn anderen Gästen.
Moderator: Und der Kanzler kann für die Community mit den Betreibern besprechen und beauftragen, was hier neu programmiert werden soll.
Mojib_Latif: Ich finde, dass bei allen Chats das Schreibfenster für den Gast etwas größer sein könnte.
Moderator: Das wäre zum Beispiel ein guter Vorschlag für eine Neuerung!
Moderator: So... es ist 20.00 Uhr, der Chat beginnt. Ich begrüße alle Doler und ganz besonders unseren heutigen Chatgast Prof. Dr. Mojib Latif!
Mojib_Latif: Ich sage auch Hallo zu allen Teilnehmern.
Moderator: Prof. Dr. Mojib Latif ist Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR Kiel oder einfacher gesagt ein Klimaforscher.
Moderator: Herr Latif, wenn Sie sich vielleicht einmal ganz kurz selbst vorstellen wollen und dann noch sagen können, was die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind?
Mojib_Latif: Ich bin 55 Jahre alt und beschäftige mich sowohl de natürlichen als auch mit den anthropogenen Klimaschwankungen, vor allem mit Hilfe von Klimamodellen.
Moderator: Nach einer Studie, an der sie mitgearbeitet haben, könnte die durchschnittliche Temperatur der Jahre 2005-2015 in etwa gleichbleibend oder nur geringfügig wärmer mit der des Jahrzehnts von 2000-2010 bleiben. Ursache der über einige Jahre möglicherweise stabilen Temperaturen seien kurzfristige natürliche Schwankungen des Klimas, die einen langfristigen, anthropogen verursachten Erwärmungstrend überlagerten. - Spitz gefragt: Ist der Klimawandel doch nicht so schlimm?
Mojib_Latif: Nein. Leider nicht. Diese Aufs und Abs sind völlig normal. Langfristig wird sich aber die globale Erwärmung durchsetzen.
Moderator: Liegt das an den anthropogenen Einflüssen oder sind es doch eher die natürlichen Schwankungen?
Mojib_Latif: Die kurzfristigen Schwankungen von Jahr zu Jahr und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt sind natürlichen Ursprungs. Wegen ihrer Existenz muss man immer sehr lange Zeiträume betrachten, um den menschlichen Einfluss zu erkennen.
Moderator: Frage von MeatLoaf an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Guten Abend Herr Latif. Meine Frage: Ich habe statistisch noch eine Lebenserwartung von 40 Jahren. Werde ich es noch erleben das in meinem Garten Palmen blühen? Bzw., wie wird sich der Klimawandel in den nächsten 40 Jahren hier auswirken."
Mojib_Latif: Der Klimawandel wirkt sich schon heute aus. Es ist in Deutschland in den letzten 100 Jahren um etwa ein Grad wärmer geworden. Als ich vor 50 Jahren Kind war, wäre der derzeitge Winter völlig normal gewesen. Die Sache mit den Palmen ist etwas anderes. Richtih heiß wird es wahrscheinlich erst jenseits von 2050.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Ich denke, der Schlüssel zum Verständnis des augenblicklichen Wandels liegt im Verstehen der historischen Klimaveränderungen. Könne Sie uns beschreiben, wie das mittelalterliche Klimaoptimum praktisch im Vergleich zum heutigen Klima ausgesehen hat und welche Ursachen es hatte, natürlich oder anthropogen?"
Mojib_Latif: Das stimmt. Die mittelalterliche Warmzeit war zumindest in einen Regionen wie Grönland wärmer als heute. Das lag vermutlich an einer verstärkten Sonnenstrahlung. Darum geht es aber nicht beim Klimaproblem. Es geht nicht um das heute sondern um das morgen und übermorgen. Noch ist unser fast normal, obwohl wie ersten Anzeichen des anthropoggenen Klimawandels schon messen können.
Moderator: Frage von Euronymous an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Herr Prof. Dr. Latif, wenn sie schreiben das man lange Zeiträume betrachten muss, von welchen Zeiträumen reden wir hier? Oder anderes gefragt, reicht der Zeitraum um den menschlichen Einfluss überhaupt zu messen?"
Mojib_Latif: Sorry für die vielen Schreibfehler.
Moderator: Kein Problem, das passiert beim Schnelltippen.
Mojib_Latif: Ich spreche von mindestens 50 Jahren. Betrachten wir etwa die letzten 100 Jahre. Der langfistige Erwärmunstrend ist nicht zu übersehen. Es gab aber auch Phasen wie etwa von 1960-1970, als die Temperatur zurück gegangen ist.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Einmal angenommen, ein aufziehendes, natürliches Klimaoptimum und die anthropogenen Klimaveränderungen würden sich gleichzeitig ereignen. Wie kann man dann den menschgemachten von dem natürlichen Klimawandel unterscheiden?"
Mojib_Latif: Das ist natürlich schwierig. Wir müssen den Fingerabdruck des Menschen bestimmen. Entweder entwickelt sich eine Änderung sehr schnell oder das räumliche Muster ist ein anderes als das, das wir von den natürlichen Schwankungen her kennen. Dabei helfen uns auch die Modelle, die die verschiedenen Muster liefern.
Moderator: Frage von Kirneh an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Wird der vermutliche Anstieg der Temperaturen auch zu einer Erhöhung der Wasseroberfläche führen? Sprich, werden die deutschen Nord- wie Ostseeküsten Probleme bekommen? Beträfe dann ja auch Ihr Institut an der Kieler Förde... (habe da an der Schwentimündung beim Bau 1993 mitgeholfen ;-) )"
Mojib_Latif: Der Meeresspiegel steigt bereits. Weltweit in den letzten 100 Jahren um knapp 20cm. Wir rechnen im schlimmsten Fall mit einem Meter Anstieg bis 2100. Wir können damit umgehen, Länder wie Bangladesh nicht.
Moderator: Frage von chepri an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Wie kann man sich so ein Klimamodell vorstellen? In welchen Größenordnungen bewegen sich räumliche und zeitliche Diskretisierung? Welche numerischen Verfahren werden verwendet?"
Mojib_Latif: Die Modelle basieren auf den physikalischen GGrundgleichungen. Sie können daher nicht mit empirischen Modellen verglichen werden, wie etwa Wirtschaftsmodellen. Die besten Modelle verwenden eine Auflösung von etwa 50 bis 100 Kilometer. Regionale Modelle lösen wesentlich höher auf.
Moderator: Frage von sol1 an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Was sind die Hauptproblem, die durch die Erwärmung entstehen? Von vielen "Klimaskeptikern" hört man ja, daß sie tatsächlich Vorteile für den Menschen hätte."
Mojib_Latif: Ich habe ober bereits den Meeresspiegelanstieg angesprochen. Dessen Vorteil kann ich nicht erkennen, ebenso wenig wie das Schmelzen der Gebirgsgletscher, was Probleme mit der Wasserversorgungg mit sicch bringt. Und so weiter.
Moderator: Frage von Euronymous an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Wie stehen sie zu den Rücktrittsforderungen bezüglich Rajendra Pachauri, bzw. der ganzen Problematik um den letzten Bericht des IPCC?"
Mojib_Latif: Das ist ein großes Ärgernis. Wir müssen offensiv mit solchen Fehlern umgehen. Beim nächsten Bericht darf so etwas nicht noch einmal passieren. Daran müssen wir arbeiten. Die Qualität der Wissenschaft muss immer Priorität haben. Und wenn ein Fehler entdeckt wird, dann muss man ihn gleich öffentlich machen. Sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit.
Moderator: Dazu auch eine Frage von mir: Muss sich die Wissenschaft stärker gegen den Einfluss der Politik (und von Interessengruppen) verwahren?
Mojib_Latif: Auf jeden Fall. Die Politik hat in der Wissenschaft nichts verloren. Und wir selbst sollten die Dinge nicht überhöhen. Ich finde, die Tatsachen sprechen für sich.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Es gibt Horror-Szenarien, wonach der Golfstrom aufgrund der Klimaerwärmung abreißen könnte. Was sagen sie zu solchen Prognosen?"
Mojib_Latif: Das passiert nur in Holywood. Die Modelle simulieren im Mittel eine Abschwächung von etwa 25% bis 2100. Das reicht nicht, um die Erwärmunng zu kompensieren. Darüber hinaus wird der Einfluss des Golfstroms auf unser Klima in der Öffentlichkeit sehr überschätzt.
Moderator: Frage von Dr.Zoidberg an Prof. Dr. Mojib Latif: "In letzter Zeit sind mehrere sehr große Eisstücke von der Antarktis abgebrochen. Wie bedrohlich ist das und ist das bereits ein Zeichen für das massive Abschmelzen der Polgletscher?“
Mojib_Latif: Das kann man nicht genau sagen, weil wir nicht viel über die Vergangenheit wissen. Die Temperaturmessungen in der Antarktis zeigen aber eine eher geringe Erwämung. Und auch die Modelle sagen für die südpolaren Gebiete eine deutlich schwächere Erwärmung bis 2100 vorher als für die nordpolaren.
Moderator: Frage von sol1 an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Was können und sollen nach dem Fehlschlag der Klimakonferenz von Kopenhagen Deutschland und die EU unternehmen? "
Mojib_Latif: In Kopenhagen gab es eine Art Klimamikado. Keiner hat sich bewegt. Wichtig ist, dass jemand die Blockade durchbricht. Wir Deutschen sollten auf jeden Fall als Vorreiter dabei sein. Besser wäre es aber, wenn die EU als Ganze als Vorreiter auftritt.
Moderator: Frage von chepri an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Im letzten Jahrhundert hat der Mensch die Erdoberfläche massiv verändert - z.B. durch Abholzen von Wäldern oder Städtebau. Wirkt sich diese "optische" Veränderung auf das Klima aus?"
Mojib_Latif: Die optische Änderung nur regional. Die Zerstörung der Wälder ist aber ein wichtiger globaler Faktor für das Klima. Zur Zeit kommen etwa 20% der weltweiten anthropogenen CO2-Emissionen daher.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Falls die Klimaerwärmung dazu führen sollte, daß z.B. die Nordwest-Passage durch die Seefahrt genutzt werden kann, könnte man das als positive Auswirkung der Klimaveränderung ansehen?"
Mojib_Latif: Natürlich. Wir laben aber in einer globalisierten Welt. Die Weltwirtschaft und auch die Weltsicherheit wären betroffen, wenn sich in vielen Regionen (nicht in allen) die Lebensbedingungen verschlechtern.
Moderator: Frage von Angelique an Prof. Dr. Mojib Latif:    "atomare versuche im ozean und tsunami - bestehen da nicht zusammenhänge, die dazu beitragen, dass immer mehr naturkatastrophen auftreten?"
Mojib_Latif: Nein. Die Tsunamis enstehen durch Bewegungen im Erdinneren, die wir zum Glück nicht beeinflussen können.
Moderator: Frage von Euronymous an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Berufsbedingt befassen sie sich ja mit den Folgen der globalen Erwärmung, aber haben sie denn auch Vorschläge, wie man eben jenen konkret entgegenwirken könnte?"
Mojib_Latif: Die Lösung sind vor allem die regenerativen Energien. Wir haben beispielsweise Sonnenenergie im Überfluss und auch die technischen Möglichkeiten zu deren Nutzung, auch über tausende Kilometer hinweg. Kurzfristig sollten wir Brandrodungen in den Tropen stoppen. Das würde uns etwas Zeit geben. Und das Energiesparen nicht vergessen. Die beste Kilowattstunde ist die, die wir nicht verbrauchen.
Moderator: Frage von sol1 an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Wie hat sich die Medienberichtung über die Klimaforschung im Laufe der Jahr verändert? Spiegelt sie deren Stand besser oder schlechter wider?"
Mojib_Latif: Die Medien sind unterm Strich als positiv zu bewerten. Ohnen sie wäre das Thema nicht in der Öffentlichkeit und damit ganz oben auf der politischen Agenda. Die Medien müssen aber Quote machen, und da bleibt schon einmal die wissenschaftliche Seriösität auf der Strecke. Das scheint etwas zuzunehmen.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Gibt es irgendeine These, warum die Klimaerwärmung die Nordhalbkugel stärker als die Südhalbkugel betrifft? Ist es nicht so, daß es nur ein globales Klima gibt?"
Mojib_Latif: Ja, es gibt aber starke räumliche Unterschiede. Die Nordhalbkugel erwärmt sich stärker wegen ihres größeren Landanteils. Das Land erwärmt sich stärker als das Meer.
Moderator: Frage von chepri an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Was halten sie von Großprojekten wie Chinas Grüne Mauer? China ist dabei bis 2050 eine Fläche von der Größe der BRD mit Bäumen zu bepflanzen, um die Wüstenbildung in China zu bekämpfen. Wird sich das global auswirken? Ist das nachahmenswert?"
Mojib_Latif: Auffostung ist auf jeden Fall wünschenswert. Aus verschiedenen Gründen. Klimaschutz ist einer, Artenvielfalt ein weiterer.
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Und ich dachte immer, die Erwärmung sei von Treibhausgasen, und nicht von Landflächen abhängig. Muß ich mich von dieser Vorstellung jetzt trennen?"
Mojib_Latif: Natürlich sind es die Treibhausgase. Bäume nehmen aber bei Wachsen CO2 auf.
Moderator: Es ist gleich 21.00 Uhr und damit ist der Chat dann zu Ende. Ich danke schon mal unseren Mitgliedern für die vielen Fragen.
Moderator: Und ein großes Dankeschön an Herrn Latif, dass er sich heute die Zeit genommen hat udn die vielen Fragen beantwortet hat.
Mojib_Latif: Ich danke auch allen Teilnehmern und wünsche ein schönes Wochenende
Moderator: Da es sehr viele Fragen gab, konnte ich leider nicht alle stellen, aber ich habe versucht, eine gute Auswahl zu erreichen.
Moderator: Ihnen auch noch einen schönen Abend und ein schönes Wochenende. Wenn es Ihnen gefallen hat, empfehlen Sie uns gerne weiter!
Mojib_Latif: Die Fragen waren alle sehr zielgerichtet. Vielleicht kann man das Ganze irgendwann einmal wiedholen.
Mojib_Latif: Tschüß
Moderator: Frage von Parzival an Prof. Dr. Mojib Latif:    "Schade. War viel zu kurz."
Moderator: Frage von Angelique an Prof. Dr. Mojib Latif:    "ebenso :-)"
Moderator: Tschüß
: Mojib_Latif hat den Raum verlassen
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