Chat-Transkript vom 27.08.2002

Prof. Dr. Paqué, Finanzminister in Sachsen-Anhalt, FDP

Thema: offen

: Prof_Paque hat den Raum betreten
Fattaru_(FPi): Hallo Herr Paque!
Prof_Paque: Ich grüße alle im Chatroom!
Moderator: Herzlich willkommen beim Chat auf dol2day!
Fattaru_(FPi): Die können uns erst in 40 Sekunden lesen
Moderator: Ich freue mich, heute abend, Prof. Dr. Paqué Finanzminister in Sachsen-Anhalt, FDP im Chat begrüßen zu dürfen!
Moderator: Mein Name ist Torsten Marek und ich werde heute abend den Chat moderieren.
Moderator: Einen schönen guten Abend, Herr Paqué!
Prof_Paque: E inen schönen Abend, Herr Marek!
Moderator: Hallo Fattaru!
Fattaru_(FPi): Ich bin Alexander Bade und vertrete heute meinen Parteivorsitzenden Jürgen Voss, der leider kurzfristig verhindert ist. Auch von mir einen schönen guten Abend.
Moderator: Danke - Bevor wir anfangen, könnten Sie sich einmal kurz vorstellen?
Prof_Paque: Auch Ihnen einen schönen Abend, Herr Bade!
Fattaru_(FPi): Gut, dann stelle ich mal die erste Frage. Herr Professor, sie waren lange in der universitären Forschung und Lehre beschäftigt. Was hat sie bewogen, in die Politik zu gehen?
Prof_Paque: Ein paar Stichworte zu meiner Person: Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet, lebe in Magdeburg und bin von Hause aus Professor für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ich hatte dort bis zum Mai dieses Jahres einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Schwerpunkt Internationale Wirtschaft. Seither bin ich - als Mitglied der FDP - Ministerr für Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt in einer CDU/FDP-Koalition. Soweit das wichtigste in Kürze.
Prof_Paque: Der Ärger über die frühere Landesregierung, eine PDS-tolerierte SPD-Regierung, die aus meiner (liberalen) Sicht viele Weichen falsch stellte und dem Land geschadet hat.
Fattaru_(FPi): Die PDS ist ja mittlerweile zweitstärkste Fraktion im Landtag. Führt da überhaupt noch ein Weg an ihr vorbei?
Prof_Paque: Ja. Denn FDP und CDU haben zusammen eine klare Mehrheit.
Moderator: Welche Weichen wurden Ihrer Meinung nach falsch gestellt - ein paar Beispiele?
Prof_Paque: Drei Gebiete als Beispiel: Finanzpolitik, Standortpolitik, Bildungspolitik. In der Finanzpolitik hat die PDS über Jahre dafür gesorgt, dass ihre Klientelinteressen bedient wurden, damit sie dem Haushalt überhaupt zustimmte. In der Standortpolitik wurde unprofessionell gearbeitet Ergebnis: viel zu wenig Direktinvestitionen in der Region. In der Bildungspolitik wurde das 13. Schuljahr wiedereingeführt.
Fattaru_(FPi): Nun hat ja die Elbflut Ihre Planungen besonders in der Finanzpolitik erheblich negativ beeinflusst. Die unmittelbaren Kosten werden ersten Schätzungen zufolge in Sachsen-Anhalt auf 1,5 Mrd. Euro beziffert. Wie wollen sie da eine Ihrer Meinung nach sinnvollere Politik überhaupt finanzieren?
Prof_Paque: Gute Frage. Zunächst: Die Schätzungen der Schäden sind noch sehr wenig verläßlich, da müssen wir noch ein paar Tage warten, bis wir mehr wissen. In jedem Fall gilt: Ohne massive Hilfe des Bundes und der EU können Sachsen-Anhalt (und im übrigen auch Sachsen) die Herausforderungen nicht bewältigen. Übrigens waren auch viele Menschen in meinem Ministerium von der Flut betroffen - bis hin zum Staatssekretär, der evakuiert werden musste und mehrere Tage einen Nebenjob als Deichläufer hatte.
Moderator: Frage von KLOSTERSUPPE an Prof. Dr. Paqué:    "Können sie sich Steuererleichterungen trotz des Hochwassers und der damit verbundenen Kosten vorstellen?"
Moderator: Frage von SteDiBe an Prof. Dr. Paqué:    "Was halten Sie von den Vorschlägen Edmund Stoibers, die Flutkatastrophe mit den Bundesbankgewinnen, welche längst schon in Schuldentilgung investiert sind, zu bezahlen?"
Prof_Paque: Zu den Steuererleichterungen: Ich halte die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform für einen schweren Fehler der Bundesregierung, da sie auf ein Sonderopfer des Mittelstands hinausläuft und Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung verspielt. Ich habe mich mit Nachdruck für andere Finanzierungswege ausgesprochen, insbesondere Einsparungen und Umschichtungen im Bundeshaushalt sowie Rückgriff auf den Bundesbankgewinn. Dieser ist überigens noch nicht in die Schuldentilgung investiert. Es wäre durchaus möglich und sinnvoll, auf die übliche Tilgung im Erblastentilgungsfonds für ein Jahr zu verzichten und die dadurch freiwerdenen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen.
Moderator: Frage von Niob an Prof. Dr. Paqué:    "Guten Abend, Herr Paqué! "
Prof_Paque: Guten Abend Niob!
Fattaru_(FPi): Teilen sie die Meinung vieler Politiker, dass er Aufbau Ost jetzt wieder von vorne beginnen muss?
Prof_Paque: Die Formulierung geht ein bisschen weit, aber richtig daran ist, dass die Flut in den betroffenen Gebieten sehr schwere Schäden hinterlassen hat. Und da ist schon eine Menge neue Aufbauarbeit zu leisten. Aber vergessen wir nicht, dass auch Bayern betroffen war. Insofern geht es nicht nur um "Aufbau Ost".
Fattaru_(FPi): Gut, dann wechseln wir doch mal das Thema: Sachsen-Anhalt hat mir 1,3% unter anderem durch Abwanderungen den höchsten Bevölkerungsrückgang in den neuen Bundesländern. Was wollen sie tun, um dies einzudämmen?
Prof_Paque: Der Hauptgrund für die Abwanderung ist natürlich das Fehlen von Arbeitsplätzen. Die Konsequenz: Wir müssen alles Mögliche tun, um Invetsoren für unsere Region zu begeistern und Existenzgründungen begünstigen, die neue und innovative Arbeitsplätze schaffen, vor allem rund um die Universitäten und öffentlichen Forschungseinrichtungen. Wir müssen daneben den Ruf des Landes verbessern: Acht Jahre rot-rote Zusammenarbeit (SPD-Regierung mit PDS-Tolerierung) haben Investoren nicht gerade motiviert, in unser Land zu kommen. Ähnliches gilt für die bildungspolitischen Experimente, die an sozialdemokratische Bildungsvorstellungen der siebziger Jahre erinnern - ohne zukunftsweisende Konzepte.
Moderator: Frage von addy77 an Prof. Dr. Paqué:    "finden sie es in ordnung das die arbeitsämter demnächst junge leute zwingen können das bundesland zu verlassen?"
Prof_Paque: Was meinen Sie genau mit "zwingen"?
Moderator: Frage von addy77 an Prof. Dr. Paqué: leute ohne bindung müssen jede stelle auswärts annehmen - sonst gibts eine geldsperre
Prof_Paque: Grundsätzlich finde ich es richtig, dass gerade junge Menschen - im Unterschied zu Älteren - auch über einen Ortswechsel nachdenken sollten, wenn Ihnen eine Stelle angeboten wird. Aber klar ist, dass dies die Probleme unserer Region nicht lösen kann. Unser Problem in Sachsen-Anhalt (und in Ostdeutschland allgemein) ist doch ein anderes: Die jungen Menschen wandern freiwillig ab, weil sie keine Stelle finden. Das müssen wir ändern, und da helfen striktere Regeln der Zumutbarkeit von Arbeitsplätzen nichts.
Moderator: Es gibt noch eine Rückfrage zu den Steuererleichterungen...
Moderator: Frage von Niob an Prof. Dr. Paqué:    "Zum Thema Steuererleichterungen und Arbeitsplätze: Die Steuerreform der Regierung hat doch ziemlich klar gezeigt, dass trotz niedrigerer Steuersätze keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Wie vereinbart sich das denn mit der ständigen Forderung nach Steuersenkungen für den angeblich so geplagten Mittelstand und andere Unternehmen?"
Prof_Paque: Die erste Stufe der Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung kam vor allem den großen Kapitalgesellscghaften zugute- und eben nicht dem gewerblichen Mittelstand. Deshalb überrascht es mich nicht, dass die Beschäftigungswirkung so bescheiden ausfiel. Eine Entlastung des Mittelstands ist dagegen vielversprechender.
Moderator: Frage von addy77 an Prof. Dr. Paqué:    "sollte man menschen wirklich jederzeit aus ihren sozialen umfeld reißen dürfen?"
Prof_Paque: Nein, es geht doch bei Regeln der Zumutbarkeit immer um eine Abwägung.
Moderator: Nächstes Thema ...
Moderator: Frage von SteDiBe an Prof. Dr. Paqué:    "Was halten Sie von dem Vorschlag aus dem Rechten Lager, alle Ausländer und Halbausländer abzuschieben, um Arbeitsplätze zu schaffen?"
Prof_Paque: Das ist ein unsinniger Vorschlag. Wir müssen in Deutschland - und allemal in Sachsen-Anhalt - Arbeitsplätze schaffen und nicht Menschen "rauswerfen".
Fattaru_(FPi): Herr Professor, Sie haben vorhin unter anderem die schlechte Bildungspolitik Ihrer Vorgängerregierung beanstandet. Was genau würden Sie da anders oder besser machen?
Prof_Paque: Drei Beispiele: (1) Die Vorgängerregierung hat das 13. Schuljahr eingeführt - gegen den bundesweiten Trend hin zu jüngeren Absoventen und "entschlackten" Ausbildungen. Das haben wir schon in den ersten Wochen unserer neuen Regierung rückgängig gemacht und reformiert. (2) Die Vorgängerregierung hat die Förderstufe eingeführt. Wir haben dies geändert: Es gibt jetzt eine schulformbezogene Förderstufe und damit auch wieder das Gymnasium ab der 5. Klasse. (3) Die Vorgängerregierung hat die sog. Grundschule mit festen Öffnungszeiten eingeführt, bei der Kinder auch nach dem Unterricht anwesend sein mussten. Auch dies haben wir verändert.
Fattaru_(FPi): Wie sieht es aus mit der Hochschulpolitik, z.B. im ebenfalls CDU-FDP-regierten Baden-Württemberg wurden sogenannte Langzeitstudiengebühren eingeführt. Steht so etwas auch in Sachsen-Anhalt zur Debatte?
Prof_Paque: Dazu folgendes: Die Studienbedingungen sind in Sachsen-Anhalt so gestaltet, dass es kaum Langzeitstudenten gibt. In den Wirtschaftswissenschaften zum Beispiel gibt es im hauptstudium ein Guthabenpunktsystem, das Anreize setzt zu zügigem Studieren - und das wirkt auch. In dieser Hinsicht haben wir kaum etwas zu verändern Dies ist aber kein Verdienst der früheren Regierung, sondern der Hochschulen selbst, die so manchen Reformschritt schneller gemacht haben als manche Massenuniversität in den alten Ländern.
Moderator: Frage von SteDiBe an Prof. Dr. Paqué:    "Was halten Sie von der Restrukturierung der Oberstufe und des Abiturs in Baden-Württemberg durch Dr. Anette Schavan?"
Prof_Paque: Die Reformen in Baden-Württemberg gehen genau in die richtige Richtung. Wir werden ähnliches in Sachsen-Anhalt in die Wege leiten.
Moderator: Frage von Niob an Prof. Dr. Paqué:    "Nicht mehr lange bis zum 22. September. HAlten Sie Schwarz-Gelb auch in Meck-Pomm für möglich, nachdem der Wechsel in Sachsen-Anhalt überwältigend gelungen ist?"
Moderator: Frage von SteDiBe an Prof. Dr. Paqué:    "Welche Koaltion auf Bundesebene würden Sie persönlich bevorzugen? Schwarz-Gelb oder Rot-Gelb?"
Prof_Paque: Selbstverständlich ist ein Wechsel in Mecklenburg-Vorpommern möglich. Für die FDP bin ich generell zuversichtlich, was die neuen Länder angeht. Sachsen-Anhalt wird kein Einzelfall bleiben. Die FDP wird in den nächsten Jahren auch in die anderen Landtage Mittel- und Ostdeutschlands zurückkehren und politischen Einfluss wiedergeweinnen.
Prof_Paque: Diese Frage stellt sich mir derzeit nicht. Ich vertrete mit der FDP ein konsequent liberales Programm, und alles andere sind pragmatische Entscheidungen, die zu gegebener Zeit zu treffen sind.
Moderator: Ihre Antwort auf die Koalitionsfrage?
Prof_Paque: Eben gegeben!
Fattaru_(FPi): Haben Sie vor, eventuell demnächst in die Bundespolitik zu gehen?
Prof_Paque: Meine Aufgabe ist in Sachsen-Anhalt. Und jetzt muss ich mich leider verabschieden, weil ich um 19.15 Uhr einen Termin außerhalb habe. Ich dankle allen für den interessanten Chat und wünsche noch einen guten Abend.
Moderator: Danke - Damit kommen wir zum Ende des Chats - leider konnte nicht alle Fragen aus der Community gestellt werden - Danke für die rege Beteiligung!
Moderator: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Professor Paqué!
Fattaru_(FPi): Auch von mir vielen Dank besonders an Professor Paque.
Prof_Paque: Ich danke auch.
Moderator: Damit verabschiede ich mich dann auch und wünsche allen noch einen schönen Abend!
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