Von: mauli_ | 31.01.2021 14:33 Uhr |
1. Meine Faschismustheorie wurzelt in den Gedanken von Karl Marx über die kapitalistische Konkurrenz:
„... die Konkurrenz (ist) nichts als die innere Natur des Kapitals, seine wesentliche Bestimmung, erscheinend und realisiert als Wechselwirkung der vielen Kapitalien aufeinander, die innere Tendenz als äußerliche Notwendigkeit. (Kapital existiert und kann nur existieren als viele Kapitalien und seine Selbstbestimmung erscheint daher als Wechselwirkung derselben aufeinander.) K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 317.
„Die freie Konkurrenz ... ist der wirkliche Prozess des Kapitals, der als Wechselwirkung der Kapitalien aufeinander erscheint ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 545.
„Die freie Konkurrenz ist die Beziehung des Kapitals auf sich selbst als ein anderes Kapital, d. h. das ... Verhalten des Kapitals als Kapital in der Realität. Die inneren Gesetze des Kapitals ... werden durch die Konkurrenz erst als Gesetze durchgesetzt.
Die auf das Kapital gegründete Produktion setzt sich nur in ihren adäquaten Formen durch, sofern und soweit sich die freie Konkurrenz entwickelt, denn sie ist die freie Entwicklung der auf das Kapital gegründeten Produktionsweise, die freie Entwicklung seiner Bedingungen ... Solange die auf dem Kapital ruhende Produktion die notwendige, daher die angemessenste Form für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft, erscheint das Bewegen der Individuen innerhalb der reinen Bedingungen des Kapitals als ihre Freiheit; die aber dann auch dogmatisch als solche Freiheit behauptet wird durch beständige Reflexion auf die von der freien Konkurrenz niedergerissenen Schranken.
Die freie Konkurrenz ist die verwirklichte Entwicklung des Kapitals. Durch sie wird als äußerliche Notwendigkeit für das einzelne Kapital durchgesetzt, was der Natur des Kapitals entspricht ... Der wechselseitige Zwang, den in ihr die Kapitalien aufeinander und auf die Lohnarbeiter etc. ausüben (die Konkurrenz der Arbeiter unter sich ist nur eine andere Form der Konkurrenz der Kapitalien), ist die freie, zugleich reale Entwicklung des Reichtums als Kapital.
So sehr ist dies der Fall, dass die tiefsten ökonomischen Denker, wie Ricardo z. B. die absolute Herrschaft der freien Konkurrenz voraussetzen, um die adäquaten Gesetze des Kapitals ... studieren und formulieren zu können.
Die freie Konkurrenz ist aber die adäquateste Form des produktiven Prozesses des Kapitals. Je weiter sie entwickelt ist, um so reiner treten die Formen seiner Bewegung hervor. ...
Die Herrschaft des Kapitals ist die Voraussetzung der freien Konkurrenz ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 542545.
„Solange das Kapital schwach ist, sucht es selbst noch nach den Krücken vergangener oder mit seinem Erscheinen vergehender Produktionsweisen. Sobald es sich stark fühlt, wirft es die Krücken weg, und bewegt sich seinen eigenen Gesetzen gemäß.
Sobald es anfängt sich selbst als Schranke der Entwicklung zu fühlen und gewusst zu werden, nimmt es zu Formen Zuflucht, die ... durch Zügelung der freien Konkurrenz zugleich die Ankündiger seiner Auflösung und der Auflösung der auf ihm beruhenden Produktionsweisen sind.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 544.
2. Die Konkurrenz der Kapitalien ist die ökonomische Grundlage für die Ideologie des Sozialdarwinismus.
Die kapitalistische Konkurrenz produziert wenige Gewinner und viele Verlierer. Die Sozialdarwinistische Theorie verklärt diese Tatsache zu einem Naturgesetz, das angeblich die gesamte Evolution des Lebens bestimmt und dominiert. Gewinner zu sein, heißt der Überlegene, der Tonangebende zu sein. Verlierer zu sein, heißt sich unterordnen müssen, heißt klein beigeben zu müssen. Aus dem Sozialdarwinismus ergeben sich Klassentheorien und Rassentheorien, immer als eine Hierarchie mit den Guten, Erfolgreichen oben und den Bösen, Erfolglosen unten.
3. Die Konkurrenz der Kapitalien ist ein sich selbst steuernder Prozess.
Dieser Prozess setzt wesentlich ökonomische Überlegenheit ein: Höher Produktivität und niedrigere Preise.
Einsatz von Gewalt ist bei der kapitalistischen Konkurrenz prinzipiell unnötig, aber nicht prinzipiell ausgeschlossen. Kant hat den aufkommenden Kapitalismus ganz richtig verstanden, als er 1795 das Reich des ewigen Friedens propagiert hat.
Erfolgreiche Kapitalisten sind notwendig Pazifisten.
„Die Manchesterschule will in der Tat den Frieden, um industriell Krieg führen zu können, nach außen und nach innen. Sie will die Herrschaft der englischen Kapitalistenklasse auf dem Weltmarkt, wo bloß mit ihren Waffen, Baumwollballen, gekämpft werden soll...“ K. Marx, Parlamentsdebatten, MEW 11, 283.
Erfolgreiche Kapitalisten gewinnen ihre Überlegenheit nicht durch Mord und Totschlag, nicht durch Krieg und Eroberung, sondern weil die Marktteilnehmer sich freiwillig für ihre besseren und preiswerteren Waren entscheiden.
„Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die billigen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d. h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 466.
4. Der Sozialdarwinismus der Verlierer heißt: Gewalt und Krieg
Freilich ist der Kapitalismus keine idyllische Veranstaltung. Er ist es schon deshalb nicht, weil er nicht nur Gewinner hervorbringt, sondern auch Verlierer und die sind in der Überzahl.
Für die Verlierer kann und muss Gewalt ersetzen, was ihnen an ökonomischer Überlegenheit fehlt. „Die (Staats-)Gewalt ist ... selbst ist eine ökonomische Potenz.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 779.
Gewalt und Krieg werden zum Hebel, um zu erreichen, was mit friedlichen, mit wirtschaftlichen Mitteln nicht erreicht werden kann.
Gewalt und Krieg sind keineswegs die einfachsten und billigsten Mittel, um sich Überlegenheit zu verschaffen. Krieg und Gewalt erfordern mehr und teurere Mittel als ökonomischer Wettbewerb. Krieg und Gewalt beinhalten ein höheres Verlustrisiko als ökonomischer Wettbewerb. Aus kapitalistischer Sicht kommen Krieg und Gewalt nur notfalls und nur in letzter Instanz in Frage. Krieg und Gewalt sind die Mittel derjenigen, die in der ökonomischen Konkurrenz zurückfallen. Krieg und Gewalt sind die Mittel derjenigen, deren ökonomische Konkurrenz an äußere, nichtökonomische Schranken stößt.
5. Faschismus ist die terroristische Form der Kapitalherrschaft, deren Hauptzweck die Gewaltanwendung nach Innen und nach Außen ist.
Anfällig für Faschismus sind und waren alle Bourgeoisien, die in der kapitalistischen Konkurrenz zurückgefallen sind oder zurückzufallen drohen. Beispiele dafür sind nach dem ersten Weltkrieg Spanien und Italien.
Anfällig für Faschismus sind und waren alle Bourgeoisien, die durch künstliche Hindernisse in der kapitalistischen Konkurrenz behindert werden. Beispiel dafür ist Deutschland nach 1918 mit dem Versailler Vertrag.
Anfällig für Faschismus sind und waren alle Bourgeoisien, die im Innern durch starke Volksbewegungen geschwächt werden. Beispiel dafür waren Deutschland, Spanien, Italien nach 1920 und Chile 1973.
Anfällig für Faschismus sind und waren alle kleinbürgerlichen Schichten, die von der kapitalistischen Konkurrenz ruiniert und enteignet werden. Die waren in Italien und Deutschland nach dem ersten Weltkrieg die soziale Basis bei der Entstehung der faschistischen Bewegungen.
Anfällig für Faschismus sind und waren lohnabhängigen Schichten, die vom Kapital dauerhaft außer Arbeit gesetzt werden, die „Verlierer der Globalisierung“. Das sind heute die Hauptträger der neofaschistischen Bewegungen: Männlich, arbeitslos, schlecht ausgebildet.
6. Wie geht erfolgreicher Antifaschismus?
Faschismus ist eine gewaltsame und gewaltbereite Bewegung der „kapitalistischen Verlierer“. Mit Worten lässt sich dagegen nicht viel ausrichten. Ganz fatal und kontraproduktiv ist es, wenn man als Antifaschist nachweisen will, dass eigentlich alle Menschen im Kapitalismus Kryptofaschisten sind.
Ich denke, erfolgreicher Antifaschismus ist identisch mit Demokratismus. Erfolgreicher Antifaschismus verteidigt die (bürgerliche!) Demokratie und den (bürgerlichen!) Rechtsstaat gegen den Versuch, eine terroristische Diktatur zu errichten.
Als Antifaschist steht man auf der Seite der friedlichen und rechtsstaatlichen Teile der Kapitalistenklasse und versucht diese Teile von den aggressiven und gewaltbereiten Teilen der Bourgeoisie getrennt zu halten.
Darüber hinaus macht es Sinn, wenn man sich als Antifaschist um das materielle und sonstige Wohl von Dauerarbeitslosen kümmert und mit den Gewerkschaften gegen Niedriglöhne und prekäre Arbeitsbedingungen kämpft.
Gruß Wal Buchenberg |
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