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Ergreifen dich als Nachkriegskind auch immer wieder Trauer und Scham, wenn du an NS-Gedenkstätten kommst? |
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21.08.2013 12:19 Uhr |
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Scham ganz sicher nicht, denn wofür sollte ich mich da schämen? Ich schäme mich generell nur für Dinge, die ich selbst verbockt habe. Das trifft auf Konzentrationslager nunmal nicht zu. Trauer? Naja, ich weiss nicht ob man es wirklich Trauer nennen kann. Es fällt mir schwer da zu trauern, da ich die dahinterstehenden Personen nicht gekannt habe.
Was ich bei meinem unzähligen Besuchen in solcherlei Gedenkstätten (war ja in der Schule mindestens 1 mal pro Jahr Pflichtttermin) am Anfang noch festgestellt habe war so ein gewisses Gefühl der Beklemmung. Es ist schon etwas anderes wenn man dann mal selbst durch solche Lager geht als wenn man nur Bilder im Geschichtsbuch sieht. Das Ausmaß dessen wie es damals gewesen sein wird, wird einem vor Ort erst richtig bewusst.
Mit zunehmender Anzahl der Besuche in Konzentrationslagern oder anderen Gedenkstellen nahm dieses Gefühl aber irgendwie ab, da das Thema überreiz wurde. Ich will nicht sagen dass es mir irgendwann gleichgültig war. Das ganz gewiss nicht. Aber es verliert irgendwann seine (negativ) "beeindruckende" Wirkung wenn man es sich wieder und wieder anschaut (anschauen muss). |
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21.08.2013 12:26 Uhr |
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Nein, eher nicht, mal davon abgesehen das mich dieses ritualisierte Gedenken eher nervt. |
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21.08.2013 13:21 Uhr |
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Ich bin generell ein Mensch, der emotionsloser ist, mich bewegen auch eher Dinge, die mein enges Umfeld betreffen. Ich habe aber im Stillen, innerlich, schon des Öfteren ein kurzes Gebet für die Opfer gesprochen, wenn ich bei einer Gedenkstätte war. Und ich arbeite im Rahmen meiner natürlich sehr kleinen Möglichkeiten daran, dass sich so etwas, zumindest auf deutschem Boden, nicht wiederholt. Die Verbrechen der Nationalsozialisten waren und sind ein Schandfleck auf Deutschlands Weste. |
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21.08.2013 13:23 Uhr |
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Da ich mich nicht losgelöst von meinen Ahnen sehe, empfinde ich das schon irgendwie so. Es ist eben unser Erbe der Vergangenheit, das wir zu tragen haben. Andere haben anderes zu tragen. |
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21.08.2013 13:35 Uhr |
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Vielleicht würde ich mich für meine Vorfahren schämen. Daß sie das geduldet haben, bzw sie sich nicht weiter dafür interessiert haben. Aber dank des kollektiven Scheißkrams der in Deutschland läuft, bin ich nicht bereit dazu. |
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21.08.2013 13:36 Uhr |
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Ich habe, aufgrund meiner persönlichen Gegebenheiten in der Familie, ein sehr schwieriges Verhältnis zur NS-Zeit. Auf der einen Seite habe ich, wie viele hier, Vorfahren, die im NS-Staat lebten, dort aufgewachsen sind, in den Krieg zogen und jämmerlich verreckten. Auf der anderen Seite habe ich eine religiöse Minderheit, die von den Faschisten "halbherzig" verfolgt wurde, jedoch in einer beschämenden Unfreiheit lebten und nur mit dem Glück der Zeit die "Epoche" überlebten. Hinzu kommt eine "ethnisch" / "rassisch-minderwertige" Komponente eines nahen Verwandten hinzu, der ebenfalls in Unfreiheit lebte, jedoch nicht (im Zuge der Neuordnung Europas noch nicht) um sein Leben bangen musste.
Meine familiäre Vergangenheit war und ist facettenreich und Aufgrund dieser Tatsachen habe ich immer eine negative Betrachtung zu dieser Zeit.
Ich war mehrfach im KZ Dachau (einmal privat, zwo mal mit dem Dienstherrn), einmal in Hadamar (aufgrund der räumlichen Nähe ebenfalls mit der Bundeswehr). Ich empfinde keine Scham sondern Abscheu, ich empfinde keine Trauer sondern Verachtung. Bei meinem ersten Besuch in Dachau fühlte ich mich leer (allerdings war ich da gerade 11 oder 12 Jahre alt). Als Erwachsener und junger Mann sieht und empfindet man es anders. Man witzelt mit anderen um das Unglaubliche und Undenkbare (was aber real war) zu vergessen, gleichzeitig (bei mir besonders) empfindet man im selben Gedanken ein Bewusstsein der heutigen Existenz (aufgrund einer starken räumlichen Differenz und eines relativ frühen Intervenieren der westlichen Alliierten auf Sizilien). Je nach Konsequenz und Kriegssituation wäre ich heute vielleicht nicht existent. Denn in Dachau wurden sehr viele jener religiösen Minderheit inhaftiert, gefoltert und ermordet, welcher meine Großeltern angehörten. Das wird aber einem erst vor Ort richtig bewusst. Das hindert mich nicht Witze darüber zu machen, einen flotten Spruch über jene Zeit abzulassen, keines Wegs. Aber dabei vergesse ich nie, worauf es letztlich ankommt und (wenn es nicht um Witze sondern dem Ernst des Lebens geht) wo ich zu stehen habe, wenn es verlangt wird.
Dieser Teil der Geschichte Deutschland ist kurz (Gott sei Dank) aber hart gewesen - fast für die gesamte Menschheit. Ein KZ-Besuch soll vermitteln, was der Mensch dem Menschen antun kann, wenn er will. Dies Bild des Menschen prägt mich mehr als jeder Lichterkette oder jede empörte Verbotsforderung einer NPD. Hier geht es nicht um Tourismus oder staatliche Indoktrinierung, es geht um den kleinsten, gemeinsamen Nenner des menschlichen Zusammenlebens: Die Akzeptanz der Existenz. |
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Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 21.08.2013 19:25 Uhr. Frühere Versionen ansehen |
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21.08.2013 13:38 Uhr |
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Wozu sollte man da Scham oder Trauer empfinden?
Es ist eher kaltes Grauen, wenn man sieht, was die Konservativen in Deutschland dereinst angerichtet haben.
Und es ist eine Erinnerung daran, dass so etwas jederzeit in Deutschland wieder passieren wird. Es ist nur eine Frage der Zeit. Die Vorgänge rund um die NSA indizieren, dass es nicht mehr so ewig fern ist... |
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21.08.2013 14:09 Uhr |
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Solid verwechselt wieder mal was. Aber Konservativ mit rechts/linksextrem zu verwechseln, dazu gehört schon böser Wille. |
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21.08.2013 14:11 Uhr |
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Nein, weil ich war zuletzt 1977 mit der Schulklasse in Dachau. |
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21.08.2013 14:18 Uhr |
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Trauer und Scham wären wohl falsche Worte.
Es ist erschütternd, zu was der Mensch, die Krone der Schöpfung fähig ist. Und noch erschütternder ist, welches Recht sich der Mensch herausnimmt, wenn seine Macht über andere Menschen unbegrenzt sind.
Ja, Erschütterung über die menschliche Spezies trifft es wohl eher. |
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21.08.2013 15:07 Uhr |
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Zu viele Besuche können abstumpfend wirken. Man ist auch nicht immer ergriffen, wenn man jeden Tag das Requiem von Brahms hört.
Zumal einige vornehmlich linksorientierte Deutsche lieber die toten Juden zelebrieren als den lebendigen Juden in Israel beizustehen. |
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21.08.2013 15:55 Uhr |
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Ich bin gerade gestern an Auschwitz vorbeigefahren, und ich hatte weder das Bedürfnis, diesen Ort der Schande aufzusuchen, noch empfinde ich "Trauer und Scham" für Verbrechen, welche einige unserer Großväter angerichtet haben.
Man sollte sich lieber mal fragen, wie krank eine Gesellschaft ist, die sich ausgerechnet üble Verbrechen als für sich selbst konstituierend verordnet hat. |
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21.08.2013 15:56 Uhr |
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Nicht die Bohne.
Sicherlich finde ich entsetzlich, an was diese Gedenkstätten erinnern. Aber da ich selbst auch Nachfahre einer von Vertreibung und Völkermord ausgelöschten Ethnie bin - um die aber nicht so intensiv öffentlich getrauert wird -, weiß ich um die rein politische und nicht etwa humanistische Motivation, die mit solchen Gedenkstätten verbunden ist.
Ich möchte also jenen, die sich regelmäßig so kaltherzig und ignorant gegenüber dem Opfergang meiner eigenen Vorfahren zeigen, nicht die Genugtuung geben, die von ihnen erwartete Reuehaltung einzunehmen; sie sind nicht von jener moralischen Größe, menschliche Opfer gleich zu würdigen; was also von ihnen kommt, kann mich niemals menschlich erreichen. |
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21.08.2013 16:29 Uhr |
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Ich bekenne, dass ich ganz selten in die Nähe von solchen Gedenkstätten komme, wofür ich mich ernsthaft schäme. |
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21.08.2013 17:05 Uhr |
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Scham? Ganz ehrlich? Nicht sehr.
Trauer? Ja. Und Beklemmung. Und ohnmächtige Wut.
Als Jugendlicher habe ich mir bei einem Friedhofsgärtner meines Dorfes in den Ferien mein Taschengeld aufgebessert. Ein kleines Dorf am westlichen Rand der innerdeutschen Grenze.
An der östlichen Begrenzungshecke, fast schon zugewuchert, waren mehrere Gräber mit Holzkreuzen. Irgendwann beim Mähen des Rasens schaute ich mal näher hin. Es waren Gräber von jungen Frauen, Zwangsarbeiterinnen, verwittert, verwahrlost.
Die Reaktion auf meine Frage, ob man da mal nicht ein wenig was machen könne war innerbetrieblich positiv, doch der Dorfrat reagierte ablehnend. Dann erschien eine Dorfchronik. Darin fand ich den Satz (aus dem Gedächtnis zitiert) "... auf der Schwarzen Brücke [Anm.: So wurde die Eisenbahnbrücke über die Oker in Grenznähe genannt] wurde ein Zwangsarbeiterzug beschossen. Mehrere flohen, was schädlich für das Dorf war..." Die Frage, was so schädlich war, wurde auf der nächsten Gemeinderatssitzung stumpf abgewürgt. Eine Antwort habe ich bis heute nicht...
Ich hefte mir die Taten meiner Vorfahren nicht ans Revers. Ich will sie auch weder verurteilen noch freisprechen.
Aber eines weiß ich: Da ich, unter ähnlichen Vorzeichen wie damals, ohnehin in einem KZ landen würde (ich bin schließlich abartig weil schwul) würde ich vorher alles tun um das Regime zu bekämpfen wo ich nur könnte. Mit aller Gewalt und aller Konsequenz.
Denn nichts ist verstörender als in Bergen-Belsen vor Grashügeln zu stehen, vor denen geschrieben steht: "Hier liegen 5.000 Opfer".
Nie wieder! |
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21.08.2013 18:29 Uhr |
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@Patrick
Das hat er ironisch gemeint. |
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21.08.2013 19:01 Uhr |
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Ich empfinde beides nicht. Trauer und Scham sind völlig unangebracht bei den vierzig Jahren, die zwischen dem Kriegsende und meiner Geburt liegen, zumal die Geschichte nur genau in der Form, wie sie gelaufen ist, mein Leben ermöglicht haben.
An solchen Stätten ergreift mich vielmehr eine Mischung aus inhaltlichem Interesse und Abneigung gegenüber dem widerlichen Kult, mithilfe dessen viele die Geschichte zum eigenen Profit ausnutzen. |
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