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Fragenübersicht Hat der Kommunist Ernst Fischer mit seiner Aussage recht: " „Die Demokraten waren zu wenig österreichische Patrioten, die österreichischen Patrioten zu wenig Demokraten.“, wenn er von den politischen Kräften der ersten Republik in Österreich spricht?
1 - 14 / 14 Meinungen
01.03.2021 10:15 Uhr
Patriotismus ist etwas für Leute, die keine Liebe für Menschen empfinden können.

In diesem Sinne: "Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!" (Gustav Heinemann)
01.03.2021 10:18 Uhr
@Revo12

Das ist genau das, was mich so an Dol stört. Die Frage war nicht, was Du von Patrioten hältst, sondern ob der politische Nichtkonsens der ersten Republik daran gekrankt hat, dass jene Kräfte, die zu einem österreichischen Patriotismus fanden und sich vom großdeutschen Element lösten, zu wenig demokratisch waren (gemeint ist die schwarze Reichshälfte), während die Sozialdemokraten nicht vom großdeutschen Reichsgedanken trotz Hitler loslassen wollten.

Das eben die Verschärfung der innenpolitischen Lage nicht begünstigt hat.
01.03.2021 10:28 Uhr
Nein, denke ich nicht. Finde die Aussage zusammenhanglos und unwissenschaftlich. Wie soll ich aus der Aussage interpretieren worauf sie sich bezieht?

Ich vermute mal Patrioten können demokratisch sein, beführworten aber oft keine Demokratie, als mehr eine autoritäre Herrschaftsform in denen "starke Männer" an der Spitze des Staates eins sind mit ihren grundlegenden politischen Zielen, z. B. nach einem starken Staat.

01.03.2021 10:30 Uhr
@Mauli

Es ist klar und deutlich gesagt. Jene, die den österreichischen Staat erhalten wollten und gegen Hitler lange durchaus ihren Mann standen, waren keine mustergültigen Demokraten. Gemeint sind hier die Schwarzen, die doch die Republik in den Ständestaat überführten.

Im Gegenzug sieht er die Sozialdemokraten als die Demokraten an, die zwar für die Republik, denen aber die Liebe zur Heimat fehlte.

Um diesen Gedanken geht es, der in dieser Botschaft versteckt ist.
01.03.2021 10:33 Uhr
Zitat:
@Mauli

Es ist klar und deutlich gesagt. Jene, die den österreichischen Staat erhalten wollten und gegen Hitler lange durchaus ihren Mann standen, waren keine mustergültigen Demokraten. Gemeint sind hier die Schwarzen, die doch die Republik in den Ständestaat überführten.

Im Gegenzug sieht er die Sozialdemokraten als die Demokraten an, die zwar für die Republik, denen aber die Liebe zur Heimat fehlte.

Um diesen Gedanken geht es, der in dieser Botschaft versteckt ist.


Da hab ich keine Ahnung von. Sozialdemokraten würde ich allerdings keine Heimatliebe absprechen, je nachdem wie man das definiert, das sind ja keine Kommunisten die den Nationalstaat ablehnen.
01.03.2021 10:35 Uhr
@Mauli

Die Sozialdemokraten dieser Zeit waren keine Personen, die ein österreichisches Vaterland als Heimat hatten, sondern Großdeutschland.

So schreibt z.b der Diplomat Josef Schöner, dass er noch 1945 meinte, dass man bei Renner (Staatskanzler) großdeutsche Gene in den Reden und Ansprachen fand. Muss ein Tagebucheintrag um den Mai 45 sein.
01.03.2021 10:35 Uhr
Ich kenne mich nicht ganz mit den politischen Kräften im Österreich der 1. Republik aus. Nach meiner lückenhaften Kenntnis gab es Sozialdemokraten (demokratisch, prodeutsch), Kommunisten (internationalistisch), Großdeutsche (prodeutsch, ,keine Demokraten), Christlich-Soziale (klerikal, eher pro österreichisch, mäßig demokratisch) und ein paar Agrarier (Ausrichtung unbekannt).

Auch die österreichische Demokratie hatte, als sie auf die Bewährungsprobe gestellt wurde, niemanden, der sich für sie ins Zeug legen mochte. Insofern kann ich das Zitat nachvollziehen.
01.03.2021 11:29 Uhr
Ich kenne mich in der österreichischen Politik zu wenig aus, um den österreichischen Patriotismus der Zwanziger und Dreißiger Jahre beurteilen zu können.

Meines Wissens gab es 1918 ein starkes und überwältigendes Bestreben, die verbliebenen österreichischen Gebiete aus dem Nachlass der Donaumonarchie an das Deutsche Reich anzuschließen. Die Verträge von Versailles und Trianon verboten aber derartige Anschlüsse. Und so war der östterreichische Patriotismus womöglich eher soetwas wie das Hinnehmen und Akzeptieren des kleineren Übels, ein Einrichten in neue Verhältnisse und Beschränktheiten.

Soweit ich das zutreffend interpretiere, was ich darüber gelesen habe, war die Stimmung und die Identifikation mit dem Staat "Österreich" allgemein schlecht. Die Wirtschaftslage war mies, man trauerte den Dimensionen der Doppelmonarchie hinterher, man fühlte sich als Rumpfstaat und weder Fisch noch Fleisch. Unter diesen Bedingungen musste ein auf Österreich bezogener Patriotismus fast zwangsläufig etwas Aufgepfropftes und Erzwungen-Vereinigendes sein: eben die Vaterländische Front des Austrofaschsimus mit klerikalen katholischen Komponenten und einem Ständestaat.

01.03.2021 11:32 Uhr
Zitat:
Meines Wissens gab es 1918 ein starkes und überwältigendes Bestreben, die verbliebenen österreichischen Gebiete aus dem Nachlass der Donaumonarchie an das Deutsche Reich anzuschließen. Die Verträge von Versailles und Trianon verboten aber derartige Anschlüsse.


Kleine Korrektur. Trianon war Ungarn. St. Germain-en-Laye war Östereich.
01.03.2021 11:34 Uhr
@radiolyse

Die Problematik, welche hinzukommt ist jene, dass man an diesen Staat einfach nicht glaubte.

Man dachte dieser Rumpf und Rest von 6 Millionen Deutsch-Österreichern ist nicht lebensfähig. Wenn man nicht an sich selbst glaubt, dann wird man wohl keinen großen Erfolg bringen, wenn man nur in Richtung "Heims ins Reich" blickt.

Sicher eines der Probleme der ersten Republik. Ohne Identität und ohne Lebenswillen kann kein Staat ein Erfolgsrezept werden, wenn auch noch die großen Parteien sich feindlich gegenüber stehen, was sich in den Jahren immer mehr verstärkte.
01.03.2021 11:51 Uhr
@Ignaz Seipel

Österreich in den heutigen Grenzen ist genauso wie das heutige Tschechien oder Ungarn ein historisch junger Staat und ein Ergebnis des Ersten Weltkrieges. Zuerst hieß Österreich ja auch "Deutschösterreich", um es von den übrigen österreichischen Gebieten wie Böhmen, Mähren und Galizien abzugrenzen, wobei dazu noch die sudentendeutschen Gebiete hinzu gerechnet wurden. Es war also vollkommen unklar, was zu diesem Deutsch-Österreich alles zählen sollte. Und soweit ich weiß, wurde im Vertrag von St. Germain (richtig, nicht Trianon) auch die Bezeichnung "Deutsch-Österreich" verboten, um die Anschlussbetrebung ans Deutsche Reich nicht noch namensmäßig zu befördern.

Das Selbstverständnis der heutigen 2. Republik kommt wohl auch daher, dass man sich als erstes Opfer der Expansionsbestrebungen von Nazideutschland begreift und den heutigen österreichischen Patriotismus als Gegenmittel dafür entdeckt hat, dass man 1938 überwältigend dem Einmarsch der Wehrmacht zugejubelt hat.

Nach 1938 mussten die Österreicher ja feststellen, dass das Großdeutsche Reich ja alles daransetzte, den Namen "Österreich" vergessen zu machen. Man nannte das Gebiet erst "Ostmark" und später "Alpen- und Donau-Reichsgaue".

Mir scheint, dass das heutige Österreich erst nach 1945 oder sogar erst nach 1955 begriffen hat, was es unter "Österreich" als eigenem Staat verstehen soll.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 01.03.2021 11:53 Uhr. Frühere Versionen ansehen
01.03.2021 11:57 Uhr
@radiolyse

Es gibt auch das Zitat von Adolf Schärf, dass man den Österreichern die Liebe zu Deutschland eben durch dieses Verhalten ausgetrieben hat.

Hier ist eine detaillierte Schilderung dieses Vorkommens:

https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Zitate/Sch%C3%A4rf%2C%20Adolf

Ich glaube auch, wenn man sich das ansieht, was 1918 geplant war als Anschluss und was später kam, dass man hier über 2 Welten sprach.

Es war wohl nicht die Absicht, dass man "Deutsch-Österreich" hier als gleichgeschalten Gau einbringt (das konnte man nicht wissen, aber Du weißt, auf was ich hinauswill), sondern hier auch eine Sonderrolle sich sicher bereitlegen wollte.

Der Anschluss war auch in einigen Kreisen von einer gewissen Sonderrolle getragen. Großdeutsch gesonnen Schwarze, sahen hier eine Mission. Das deutsche katholische Österreich als Missionierungswerk für Deutschland.

Da gehen die Vorstellungen auch früherer Anschlussfreunde weit weg von dem, was man dann erlebte und was auch ernüchterte.
01.03.2021 12:24 Uhr
@Ignaz Seipel

Der Deutsche Bund zwischen 1815 und 1866 war ja durchzogen vom Gegensatz zwischen Preußen und Habsburg-Österreich. Und allein der Deutsche Zollverein schloss ja Österreich als Wirtschaftsgebiet perspektivisch aus dem Deutschen Bund aus, weil Österreich eben diesem Zollverein nicht beitrat.

Es war auch bei den Revolutionären des Jahres 1848 vollkommen umstritten, wie ein "Großdeutschland" unter Einschluss Österreichs überhaupt aussehen sollte.

Österreich war bis 1866 gewissermaßen zu groß für eine deutsche Reichseinigung. Und so kam es 1871 eben zur Kleindeutschen Lösung.

Und nach 1918 war Österreich gewissermaßen "zu klein" für den traditionellen Anspruch der Österreicher selbst, in dem angestrebten Großdeutschland eine maßgebliche Rolle zu spielen.

Die Nazis haben dann "Großdeutschland" als etwas vollkommen anderes verstanden. Als wahnhaftes Großgermanien und ungeheure verbrecherische Hybris.
01.03.2021 12:31 Uhr
Zitat:
Der Deutsche Bund zwischen 1815 und 1866 war ja durchzogen vom Gegensatz zwischen Preußen und Habsburg-Österreich. Und allein der Deutsche Zollverein schloss ja Österreich als Wirtschaftsgebiet perspektivisch aus dem Deutschen Bund aus, weil Österreich eben diesem Zollverein nicht beitrat.


Es wäre wohl nicht durchführbar gewesen, fraglich, ob es überhaupt von Preußen erwünscht gewesen wäre.

Bruchstelle war die Leitha und die March.

Gesamtösterreich samt Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen usw usf. war für die Preußen undenkbar.

Nur die deutschen Länder und Böhmen wäre für Metternich/Habsburg nicht tragbar gewesen.
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