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Fragenübersicht Fehlt Dir auch der Glaube daran, dass man vor 1945 nichts über die Abläufe der Vernichtungsmaschinerie des 3. Reiches wusste?
1 - 7 / 7 Meinungen
27.01.2023 09:24 Uhr
Die Existenz der Vernichtungsmaschine muss bekannt gewesen sein, wenn selbst meine Eltern als Kinder davon wussten. Die konkreten Abläufe können manchem unbekannt gewesen sein.

Dazu kommt, dass, wer etwas geahnt oder gewusst hat, oft Hitler damit nicht in Verbindung bringen wollte. "Wenn das der Führer wüsste..." Über diesen Aspekt kann man auch in Klemperers LTI nachlesen.
27.01.2023 09:26 Uhr
Jein. Der Mensch ist im Allgemeinen sehr gut darin, Dinge auszublenden, die er nicht wahrhaben will. Und dem Otto-Normal-Bürger standen nun auch nicht allzu viele Möglichkeiten offen, diese Diktatur richtete sich ja auch sehr gerne mal mit voller Macht gegen das eigene Volk. Wer nicht spurte...wurde gespurt, auf die eine oder andere Weise.

Man konnte es ab einem gewissen Zeitpunkt mit Sicherheit gut erahnen oder sich eine Vorstellung davon machen, vermutlich sogar auch wirklich wissen.

Die meisten werden halt wirklich dem Gedankengang "Es bin nicht ich. Ich bleibe still. Sonst werd ich es auch noch." gefolgt sein und die Angst um das eigene Leben ist ein ganz guter Motivator.

Und dann gabs halt natürlich auch noch eine Menge derjenigen, denen das ganz recht kam. Waren nicht nur Duckmäuser und verängstigte Bürger, eine große Anzahl war halt auch mit Feuer und Flamme dabei, denn Antisemitismus war in der Zeit in Europa in ganz großer Mode.
27.01.2023 09:26 Uhr
Das Wegschauen wurde im III. Reich zum Instrument der Wahl. Aber längst nicht bei Allen. Natürlich wussten viele in der Bevölkerung, dass die Juden plötzlich verschwanden. Und dass sie nicht in Vergnügungsparks und Freizeiteinrichtungen verbracht wurden, sondern bestenfalls die Ausreise anstand wusste ein Großteil der Bevölkerung. Ob das Ausmaß der Vernichtung - also der eigentliche Holocaust - der Juden breiten Bevölkerungskreisen in ganzer Breite bekannt oder bewusst war bezweifle ich. Dennoch hätte man mit ein wenig Intelligenz ermessen können, was den Juden blühte.
27.01.2023 09:32 Uhr
Es fällt mir schwer. Wir haben die Ankündigungsreden von Hitler vom 30.1.1939

Zitat:
"Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.“.


Wir haben eine Rede, welche nochmal einen Bezug auf diese Rede legt, auch wenn er sie m.W falsch zitiert und mit 1.9.1939 legt.

Zitat:
»Sie werden sich noch erinnern an die Reichstagssitzung, in der ich erklärte: Wenn das Judentum sich etwa einbildet, einen internationalen Weltkrieg zur Ausrottung der europäischen Rassen herbeiführen zu können, so wird das Ergebnis nicht die Ausrottung der europäischen Rassen, sondern die Ausrottung des Judentums in Europa sein. [Beifall] Sie haben mich immer als Propheten ausgelacht. Von denen, die damals lachten, lachen unzählige nicht mehr. [vereinzeltes Lachen, Beifall] Die jetzt noch lachen, werden in einiger Zeit vielleicht auch nicht mehr lachen. [Gelächter, starker Beifall] Diese Welle wird sich über Europa hinaus über die ganze Welt
verbreiten.«


Wer es noch deutlicher als aus dem Mund des "Führers" braucht, der hat wohl wirklich nichts wissen wollen.

Man liest auch von dem im Hintergrund genannten. Wobei das mit den Zeitungen relativ frisches Wissen ist. Da hat wohl der Wiener Völkische Beobachter nach Einstellung der Wiener Zeitung anscheinend im Amtsteil den Wegzug gemeldet und dabei dürfte es sich um Judentransporte gehandelt haben. Da 1000 Namen mit einem Schlag verzogen.

Da gab es Reichsbahnangehörige und Andere, die sicher auch mal zu Hause etwas gesagt haben werden.

Soldaten von der Front. Ich weiß von einem alten Herren, dass er sehr wohl mitbekam, wie ein Judentransport einfach mal wo am Rand stand, wie er mal einen Aufenthalt beim Rückweg in einem Ort hatte. Der Zug stand dort 3 Tage und es war jedem egal. Das hat er sehr wohl auch zu Hause dann erzählt.

Und beim Abtransport der Juden über die Ungargasse in Wien sollen die Leute gestanden sein und eindeutige Gesten in Richtung : Auf Nichtmehrwiedersehen und jetzt geht es euch an den Kragen gemacht haben.

Von Unwissenheit kann hier wohl wenig die Rede sein.

Vielfach eher von nichts wissen wollen.
27.01.2023 10:23 Uhr
Dafür gibt es relativ starke Indizien. Eines der stärksten Indizien überhaupt ist es, dass auch sehr viele Juden, die es ja in allererster Linie betraf, nichts von der systematischen Tötung wussten. Im Vernichtungslager Sobibor trafen die niederländischen Juden laut Berichten von Überlebenden nahezu in einer Urlaubsstimmung ein.

Ebenso berichtet Hannah Ahrendt, dass viele Juden aus den Ghettos erst in den Konzentrationslagern überhaupt bewaffnete Deutsche zu Gesicht bekamen. Der Rest der Deportationsmaschinerie im Osten ging ebenfalls vorrangig über andere Juden, teilweise auch über slawische Freiwillige.

Sicherlich, ein Teil der Juden kollaborierte in der Tat in der Hoffnung, selbst davon zu kommen. Aber: Eine derart breite und teilweise auch motivierte Mitarbeit von Juden hätte es niemals gegeben, wenn diesen die systematische Vernichtung ihres Volkes bekannt gewesen wären.

Im Übrigen: Dem deutschen Volk war durchaus bekannt, dass den Juden schweres Unrecht widerfährt!
Die Kennzeichnung mit dem Judenstern, die öffentlichen Demütigungen, die Entfernung von Juden aus dem Geschäfts- und Beamtenleben, das war allgemein bekannt, ebenso dass es zu Massakern der Einsatzgruppen kam.
Von den Gesprächen der "Weißen Rose", ist bekannt, dass alleine das bekannte Maß an Unrecht gegenüber den Juden diesen Menschen ausreichte, um sich gegen ihr Regime zu stellen. Diese Haltung verdient absolute Hochachtung!

Aber: Auch die Weiße Rose, deren Mitglieder einen klar überdurchschnittlichen IQ hatten und die durch das fließend russisch sprechende Mitglied, den Russlanddeutschen Alexander Schmorell, der mit Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern sprechen konnte, einen überdurchschnittlichen Informationsstand hatten, ging nicht von einer absoluten Vernichtung des jüdischen Volkes, sondern "nur" von schwerem Unrecht gegenüber den Juden inklusive vorkommenden Massakern der Einsatzgruppen im Rahmen der "Partisanenbekämpfung" aus. Nicht von einem umfassenden Genozid.

Ebenso muss konstatiert werden, dass die Alliierten, die über umfassende und hochprofessionelle Nachrichtendienste verfügten, ebenso keinen dermaßen systematischen Genozid während des Krieges konstatiert hatten. Die rationalste Erklärung ist, dass sie zwar von NS-VErbrechen wussten (und darauf auch in ihrer Propaganda eingingen), aber nichts vom umfassenden Völkermord.

Das heutige Narrativ "die Deutschen wussten alles, die wollten es nur nicht wissen" greift hier zu kurz. Von Unrecht wusste man, vom umfassenden Völkermord nicht. Warum auch sollten einfache Deutsche, die durchaus eigene ÜBerlebenssorgen hatten, VErnichtungspläne kennen, die nichtmal den zuvorderst Betroffenen und hochprofessionellen Nachrichtendiensten bekannt waren?
Und die westlichen Nachrichtendienste waren ja durchaus professionell und verfügten über weit intimeres Wissen aus der NS-Zentrale, als Lieschen Müller.
27.01.2023 10:45 Uhr
Reichsritter

Zitat:
Es fällt mir schwer. Wir haben die Ankündigungsreden von Hitler vom 30.1.1939
...

Von Unwissenheit kann hier wohl wenig die Rede sein.

Vielfach eher von nichts wissen wollen.


Nun, die von Dir zitierten Reden sind von Hitler gehalten worden und zwar öffentlich. Völlig korrekt.

Allerdings dürften diese Reden eher als brachiale Rhetorik verstanden worden sein. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Damals waren sie auch tatsächlich nur als brachiale Rhetorik gedacht!
Diese Reden, die Du zitierst, stammen aus dem Jahr 1939. In dieser Zeit gab es bereits ein schweres NS-Unrecht gegen die jüdische Bevölkerung. Aber noch keinen Plan zum systematischen Genozid. Es gab noch keine Wannsee-Konferenz und Hitler hielt sich damals durchaus noch andere Optionen zum Umgang mit dem Judentum offen.

Im Jahr 1939 wäre es jedenfalls unmöglich gewesen, den Nazis unmittelbare Vorbereitungen für einen systematischen Genozid vorzuwerfen.

Würde sich heute ein Diktator ähnlich verhalten, wie Hitler 1939, würde es sicherlich sehr große Vorbehalte geben, diesen mit den Nazis gleichzusetzen. Der Vorwurf der Holocaust-Relativierung wäre das immerwährende Damokles-Schwert.

Im Jahre 1939 war wohl "erst" eine höchstens vierstellige Zahl von Juden durch die Nazis ermordet worden. Während übrigens Hitlers Hauptfeind Stalin, durchaus bereits Millionen Leichen im Keller hatte.
Und ja, es ist eine bis heute nicht ganz zufriedenstellend geklärte Frage, warum die Westmächte 1939 gegen Deutschland in den Krieg gezogen sind. Auch wenn Hitler definitv ein Verbrecher war, rational erklärbar ist die Position Großbrittanniens und Frankreichs bis heute nicht. Vor allem, wenn man bedenkt, wie schwach diese Länder 1940 tatsächlich waren und dass sie de facto nur durch die Hilfe der späteren Supermächte USA und Sowjetunion das Reich niederringen konnten.

Nimmt man "Mein Kampf" als Grundlage von Hitlers Handeln an, dann wäre es für das Handeln der Westmächte sehr viel naheliegender gewesenn, Hitler 1939 gewähren zu lassen, damit er sich erstmal mit Stalin kloppt. Und dann ggf. zu intervenieren. Die Länder, die Hitler bis dahin überrennen musste, waren ohnehin ebenfalls faschistoide Staaten wie insbesondere Polen und keineswegs westliche Demokratien.

Hitlers Erklärung für das im Grunde irrationale Handeln der Westmächte war eine große Verschwörung der Juden.

Meine persönliche Erklärung ist hingegen eine fatale und hemdsärmelige militärische Fehleinschätzung insbesondere auf französischer und britischer Seite.

Wie auch immer. Man kann aus den Hitler-Reden von 1939 in der ex-post-Betrachtung natürlich Vorboten zum Holocaust erkennen. Diese Sicht wäre aber 1939 durchaus Unsinn gewesen. Denn damals gab es weder einen Holocaust, noch unmittelbare Planungen dafür.

Für wichtiger halte ich m.E., dass es durchaus ein Wissen über Unrecht und Massaker an Juden unterhalb des späteren Holocausts gab. Und dass es damals durchaus Leute gab, die zu Recht sagten "Das reicht aus, um das Regime zu bekämpfen, selbst wenn es uns persönlich ein Himmelreich bietet. Es ist einfach Unrecht."
27.01.2023 14:18 Uhr
Viel schlechter kann solch eine Frage wohl kaum formuliert werden.

Wer soll "man" sein? Heydrich, Goebbels, Himmler, Hitler, Göring, Speer, Tante Trude, Onkel Gerd, Kusine Klara oder wer?

Und was sind "die Abläufe"?

Die Mörder in den Einsatzgruppen wussten, daß sie massenhaft Juden erschießen. Ob sie aber von den Vernichtungslagern wussten?

Himmler wusste, daß seine Untergebenen an der "Endlösung der Judenfrage" arbeiteten. Ob er aber über jede Einzelheit der Abläufe dabei informiert war, ob er wusste, wo das Zyklon B herkam?

Insofern, nein, mir fehlt nicht der Glaube daran, daß "man vor 1945 nichts über die Abläufe der Vernichtungsmaschinerie des 3. Reiches wusste".

Ich glaube aber, daß sehr viel mehr Deutsche mitbekommen haben, daß "etwas nicht stimmte", obwohl sie in der Nachkriegszeit das Gegenteil behauptet haben.
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