LYRIX

Initiative für Lyrik und die poetischen Momente des Lebens

„Ein minderer Gedanke, gereimt vorgebracht, nimmt an Gewicht um etwas zu. Dem geistigen Anreiz gesellt sich da gleichsam auch ein mechanischer.“ (Alfred Polgar)

Im Bewußtsein,

daß Lyrik die Grundlage unseres Seins bedeutet,

daß die literarische Zugänglichkeit unserer Gesellschaft beängstigend abnimmt,

daß die poetischen Momente des Lebens, seien sie schmerzhaft, seien sie glücklich, die eigentliche Essenz des menschlichen Daseins darstellen,

daß Schiller schwul war und Goethe nicht,

daß U-Boote nicht reimen können,

daß „im Anfang das Wort“ war (Joh. 1,1),

daß Dateien im Netz ihren Ort und ihre Zeit haben, sich je nach Hardware und Konfiguration anders darstellen und somit jede Datei ihre eigene unverwechselbare Aura und Geschichte hat,

daß Enten grundlegend poetische Wesen sind,

daß Sexaimen nichts anrüchiges und Alliterationen maßvoll einzusetzen sind,

und daß Konstantin Wecker endlich in direkter Nachfolge Bertolt Brechts gewürdigt werden sollte,

haben wir eine Initiative für Lyrik und poetischen Austausch bei dol ins Leben gerufen.

Ziel ist es, geneigten Menschen ein Forum zu verschaffen, sich lyrisch zur Sprache zu bringen; sei es in Zitationen, in lyrischen Links oder in eigener dichterischer Tätigkeit.

Dabei ist grundlegend zu berücksichtigen, daß sich dieses Angebot als parteiübergreifendes versteht. Kein Mensch soll aufgrund seiner politischen Orientierung von den lyrischen Momenten des Lebens und der poetischen Interaktion ausgeschlossen werden. Allerdings sollte die Fähigkeit, vollständige Sätze bilden zu können, ohne inflationär auf die Lexeme „deutsch“ und „national“ zurückgreifen zu müssen, prinzipiell gegeben sein.

Unbedingt zu vermeiden ist jedoch Schmalspur-Poesie in der beschämenden Tradition gängiger Geburtstags- oder Jubiläumshymen. Deren Qualifizierung als lyrisch lehnen wir prinzipiell ab und fordern die bundesweite Sanktionierung von Zeitungsannoncen, die auf dem Endreim „Liebe Leute, es ist wahr, / Oma wird heut‘ 70 Jahr“ basieren.

Um die Gefahr einer derartigen Unterwanderung der gewünschten Initiative auf ein Minimum einzugrenzen, wird sich eine Expertenkommission mit der Erarbeitung von Aufnahmekriterien befassen.

Grundlegende Voraussetzung ist:

- die Fähigkeit, Kreuz- und Paarreime bilden und als solche kategorisieren zu können

- eine detaillierte Kenntnis der klassischen Sonettform und ihrer strophenspezifischen Versmaße,

- sowie eine grundsätzliche – grammatische wie semantische – Sprachkompetenz.

- Insbesondere die korrekte Flexion des Verbs „halten“ soll dabei einen besonderen Qualifikationsschwerpunkt darstellen.

Zur Einarbeitung und Vertiefung empfehlen wir Steputats etabliertes Reimlexikon von Reclam (17., neu bearb. Auflage 1997, Stuttgart: Phillip Reclam jun. GmbH & Co, ISBN 3-15-029620-X),

sowie Reuter/Nissen: „Die neuen Leiden der jungen Wörter“ ( 1., von völlig überarb. Herausgebern bearb. Auflage 1999, München: Knauer, ISBN 3-426-73076-6).

Zur Schärfung des Geschmackssinnes mittels schlechter Beispiele empfehlen wir weiter Friederike Kempners lyrische Ergüsse, deren bewußte Abwesenheit im Gedächtnis der Gegenwart die unbewußte Adaption befördert und damit ein Hauptgrund für die derzeitige beklagenswerte Situation ist.