Chat-Transkript vom 07.09.2006

Rainer Wend, Mitglied des Bundestags, SPD

Thema: Wirtschaftsaufschwung in Deutschland?

: haui_(dlp) hat den Raum betreten
: haui_(dlp) hat den Raum verlassen
: haui hat den Raum betreten
: Haui hat den Raum verlassen
: Haui hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum betreten
: Rainer_Wend hat den Raum betreten
: Haui hat den Raum verlassen
: Haui hat den Raum betreten
: Moderator hat den Raum verlassen
: Moderator hat den Raum betreten
Moderator: hallo
Rainer_Wend: hallo, hat soweit alles geklappt. rainer wird gleich neben mir sitzen und dann kanns losgehen... mfg ulrike mühlberg
Haui: nabend
Moderator: okay.. :)
Haui: na perfekt :)
Moderator: so, ich nehme grün als Farbe
Moderator: grün...
Haui: Ich rot.... ;-)
Moderator: nimm du am besten ro @haui
Moderator: perfekt
Moderator: dann warten wir mal noch... in 10 Minuten gehts dann offiziell los
Haui: ok
Rainer_Wend: haui, ich fürchte da gibts n konflikt ;-) als sozialdemokrat will rainer natürlich auch rot haben...
Moderator: *ggg*
Haui: ich bin aber auch sozialdemokrat ;-) was nun? ;-)
Moderator: haui, du bist ein neutraler Sozialdemokrat heute... nimm doch blau.. ;)
Haui: ...und juso dazu ;-) aber gut, ich beuge mich der mehrheit! :P
Rainer_Wend: super, danke!
Haui: @ulrike: schicke neue homepage die ihr da gebastelt habt ;-)
Moderator: kam die mail an?
Haui: an wen?
Moderator: nich an dich ;)
Haui: okay
Rainer_Wend: danke für das lob! ja, mail ist angekommen und er hat sie auch schon gelesen.
Moderator: fein... :) in 4 Minuten sind wir dann für alle sichtbar freigeschalten, dann könnten wir von meiner seite aus loslegen
Haui: von mir aus auch
Rainer_Wend: wir sind bereit
Moderator: okay.. dann legen wir mal los....
Moderator: Hallo und herzlich Willkommen beim Chat von dol2day. Mein Name ist Michael Unterberger, ich bin 30 Jahre alt und bei dol2day Mitglied der Redaktion. Wie es so üblich bei uns ist, bitte ich den Gast immer, sich mal kurz vorzustellen :)
Moderator: Haui darf sich natürlich auch gern vorstellen...
Rainer_Wend: Hallo, ich bin Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Bielefeld. Bin 52 Jahre alt und verheiratet. Meine Frau und ich haben 3 Töchter. Vor meinem Einzug in den Bundestag war ich als Rechtsanwalt tätig.
Haui: Danke ;-). Guten Abend alle zusammen! Mein Name ist Marcel Haubold, ich bin 16 Jahre alt und Mitglied bei dol2day. Heute werde ich den Promichat unterstützen :)
Moderator: Unser heutiges Thema ist ja "Wirtschaftsaufschwung in Deutschland?". Extra mit einem Fragezeichen als Satzzeichen. Herr Dr. Wend, sehen Sie Deutschlands Wirtschaft im Aufschwung oder befinden wir uns nur in einem Strohfeuer, so kurz vor der Erhöhung der Mehrwertssteuer?
Rainer_Wend: Deutschland ist im Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum hat überraschend stark zugenommen. Wir haben 450.000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr und 180.000 mehr offene Stellen als vor 12 Monaten. Auch die Steuereinnahmen sind deutlich angestiegen. Der Aufschwung ist so robust, dass auch die Mehrwertsteuererhöhung keinen starken Dämpfer geben wird.
Moderator: Sehen Sie das als Erfolg der großen Koalition an oder profitiert die Regierung von den Maßnahmen der alten rot-grünen Regierung?
Rainer_Wend: Ehrlicherweise muss man sagen, in erster Linie profitieren wir davon, dass die deutschen Unternehmen besser aufgestellt sind als noch vor einiger Zeit. Und davon, dass die Weltwirtschaft sich positiv entwickelt. Aber natürlich wirken sich auch jetzt die Hartz-Reformen der rot-grünen Bundesregierung auf den Arbeitsmarkt auf. Zu einer positiveren Grundstimmung im Lande mag auch die Große Koalition beigetragen haben.
Moderator: Keine Angst davor, dass die MWSt-Erhöhung im nächsten Jahr doch für einen Einbruch sorgen wird?
Moderator: ich geb dann mal den Fragestab an Haui weiter.. ;)
Rainer_Wend: Man muss schon befürchten, dass der Konsum negativ beeinflusst wird. Mittel- und langfristig kann aber ein sanierter Haushalt auch ein positiver Beitrag für unsere Wirtschaft sein. Ich sehe also allenfalls einen vorrübergehenden Dämpfer, aber keinen Einbruch. Zumal die Konjunktur derzeit sehr robust ist.
Moderator: Frage von sveka an Rainer Wend:    "Wird das Wirtschaftswachstum die nächsten Jahre anhalten? "
Moderator: Kleiner Hinweis an die Fragesteller: bitte nochmal eure Fragen stellen, die letzten wurden grad wegen nem technischen Problem gelöscht... Danke
Rainer_Wend: In den nächsten zwei Jahren spricht viel dafür, dass es anhalten wird. Wir sind aber auch von Unwägbarkeiten abhängig, die wir nur bedingt beeinflussen können. Beispielsweise die Währungsparität Dollar/Euro oder die Preise für Rohstoffe. Auch die politische Entwicklung in Krisenregionen wie dem Nahen Osten oder dem Iran ist von Bedeutung. Wenn diese Situationen stabil bleiben und wir noch stärker in neue Technologien und Bildung investieren, könnte der Aufschwung auch durchaus länger anhalten.
Haui: Kommen wir nochmal zurück auf die eben angesprochenen Hartz-Reformen, genauer die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe: Ihrer Meinung ein wichtiger und guter Schritt oder eher nicht!?
Moderator: Frage von Miles an Rainer Wend:    "wir haben ja nun immer noch das Problem einer zu schwachen Binnenkonjunktur, nicht zuletzt schwächelndem privaten Konsum. Wie kann da ein Wandel erreicht werden, wenn gleichzeitig mehr private Vorsorge für Alter und Krankheit notwendig werden wird?"
Rainer_Wend: Der Befund ist richtig beschrieben. Unausweichlich ist auch, dass wir mehr für Gesundheit und Alter aufwenden. Das beruht auf der demografischen Entwicklung. Gleichzeitig haben wir aber immer noch eine hohe Sparquote. Wenn das Vertrauen in die Zukunft wächst, weil zum Beispiel die Arbeitslosigkeit kontinuierlich zurückgeht, werden die Menschen auch wieder mehr Geld ausgeben. Außerdem wären nach Jahren der Lohnzurückhaltung auch wieder höhere Tarifabschlüsse vertretbar und sinnvoll.
Haui: Auf ihrer Homepage sprechen Sie ja das Thema an und schreiben von einer 'Fortentwicklung des Konzeptes „Öffentlich Privater Partnerschaften“'. Was darf man darunter verstehen?
Moderator: Haui hat ja die Frage nach Sinnhaftigkeit der Hartz-Reformen gestellt... genauer die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe: Ihrer Meinung ein wichtiger und guter Schritt oder eher nicht!?
Rainer_Wend: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war unbedingt ein guter Schritt. In der Vergangenheit hat man sich nicht ausreichend um die Vermittlung von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsmarkt gekümmert. Nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum ALG II kümmert man sich auch um dieses Klientel.
Moderator: Kommen wir zu zwei Fragen aus dem Bereich Steuererhöhung:
Moderator: Frage von flitzer an Rainer Wend:    "Sollte man nicht auf die Erhöhung der MWSt verzichten bzw. nur 1 oder 2%-Punkte erhöhen? Die Steuereinnahmen steigen doch auch so schon mehr als mal dachte..."
Moderator: Frage von ThomasD an Rainer Wend:    "Sie stellen fest, daß sich Deutschland im Aufschwung befindet? Warum würgt dann Ihre Koalition diesen durch die Mehrheitssteuererhöhung gleich wieder ab? und Zweitens: Wäre hier weniger nicht mehr? Verzicht auf Erhöhung kann im Wirtschaftsaufschwung doch auch Steuermehreinnahmen bedeuten."
Rainer_Wend: Zu ÖPP: Die öffentliche Hand ist nur noch bedingt in der Lage, in ihre Infrastruktur zum Beispiel Straßen, Schulen oder Gefängnisse zu investieren. Gleichzeitig sollten die staatlichen Gliederungen auf diese Bereiche aber nach wie vor den bestimmenden Einfluss haben. Um beides zu ermöglichen, kann es klug sein, private Investoren und öffentliche Hand zusammen zu binden und die Investitionen und den Betrieb gemeinsam durchzuführen.
Moderator: Frage von sveka an Rainer Wend:    "Was ist in dieser Legislaturperiode noch geplant um die Wirtschaft stabil zu halten oder ihre Stabiltiät aufrecht zu erhalten?"
Rainer_Wend: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist ein Zielkonflikt. Tendenziell wirkt die Steuererhöhung eher wachstumsmindernd. Andererseits sind wir verpflichtet, unter dem 3%-Kriterium der EU zu bleiben und müssen im Interesse künftiger Generationen auch unsere Verschuldung in den Griff bekommen. Zudem soll mit einem Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 1% abgesenkt werden um den Faktor Arbeit im internationalen Wettbewerb preiswerter zu machen. Die gestiegenen Steuereinnahmen können nicht zu einem Verzicht auf die Mehrwertsteuererhöhung führen. Zum einen ist die Verlässlichkeit noch nicht sichergestellt, zum anderen wirkt die Mehrwertsteuererhöhung strukturell auf alle Haushalte einnahmeverstärkend. Während Erhöhungen aus Wirtschaftswachstum Einmaleffekte bleiben können. Ich räume ein: es gibt hier keine schwart-weiss-Entscheidung mit der 100%tigen Richtigkeit einer bestimmten Lösung. Für mich überwiegen aber die Argumente bei der geplanten Maßnahme zu bleiben.
Moderator: Frage von DoubleB an Rainer Wend:    "Sind sie mit mit der Meinung, dass das politische Handeln in ihrem Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung überbewertet wird, vor dem Hintergrund eines empirisch belegbaren und schon von den ersten Wirtschaftswissenschaftlern erkannten 6-Jahreszyklus' einer Marktwirtschaft?"
Rainer_Wend: Wir wollen eine Unternehmenssteuerreform machen mit dem Ziel, die Standortbedingungen im internationalen Wettbewerb zu verbesser. Außerdem soll damit gewährleistet werden, dass die Unternehmen ihre Steuern in Deutschland und nicht im Ausland entrichten. Wir planen eine Reform der Erbschaftssteuer mit der wir die Vererbung von Unternehmen nach einer zehnjährigen Stundung ganz erlassen wollen, wenn dieses an den Erhalt von Arbeitsplätzen geknüpft wird. Wir werden Reformen im Arbeitsmarkt, hier vor allem im Niedriglohnsegment vornehmen, weil die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich in Deutschland besonders hoch ist. Schließlich werden wir die Staatsausgaben für Bildung und Forschung deutlich erhöhen weil dadurch die Zunkunft gestaltet wird.
Haui: Wie zum Beispiel die 6 Millionen für Innovationen, richtig?
Haui: Entschuldigung, 6 Milliarden meinte ich
Rainer_Wend: Richtig daran ist, dass die Politik nur bedingt auf die konjunkturellen Zyklen des Kapitalismus einwirken kann. Unabhängig davon ist es aber im Zuge der Globalisierung von immenser Bedeutung, ob es uns gelingt, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Wettberwerbsfähige Steuern, gutausgebildete Fachkräfte, eine verlässliche Infrastruktur, hoher technologischer Standort sind dafür einige Stichwörter. Gelingt uns dies, hat dieses Auswirkungen auf den Umfang von Auf- und Abschwüngen.
Moderator: Aus den Reihen der Opposition hört man immer wieder den Ruf nach Subventionsabbau. Besonders die FDP ruft da besonders laut. Wo sehen Sie da handlungsmöglichkeiten und wieviel Einsparpotential hat der Staat dort zu erwarten?
Rainer_Wend: Wir haben beispielsweise durch den Wegfall der Eigenheimzulage und die Reduzierung der Entfernungspauschale in erheblichem Umfang Subventionen abgebaut. Manchmal verbirgt sich hinter der Forderung nach Subventionsabbau auch der Abbau von Standards, beispielsweise in der Sozialpolitik oder beim öffentlichen Personennahverkehr. Deshalb muss man den Einzelfall sich sehr genau ansehen. Ich persönlich halte den Spielraum an der Stelle inzwischen für weniger groß, als noch vor einigen Jahren.
Moderator: eine Nachfrage zur MWSt-Erhöhung:
Moderator: Frage von AWrede an Rainer Wend:    "Das hörte sich im Wahlkampf aber noch anders an. Wie stehen Sie jetzt zu der Ansage im Wahlkampf, man wolle die 2% Merkelsteuer unbedingt verhindern?"
Rainer_Wend: Dieser Vorwurf hat von allen die größte Berechtigung. Wir haben nach den Wahlen etwas anderes getan, als wir vorher versprochen haben. Als bescheidene Begründung kann ich nur sagen, dass wir uns in der Großen Koalition zusammenraufen mussten. Die oben verwandten ökonomischen Argumente sind allerdings eine rationale Begründung.
Moderator: Frage von Miles an Rainer Wend:    "wird der Konjunkturaufschwung eine höhere Bereitschaft zu Strukturentscheidungen etwa im Sozialsystem fördern, oder die Notwendigkeit dazu eher verdecken?"
Rainer_Wend: Eine sehr gute Frage! Das Risiko ist durchaus da, dass wir Politiker bei gutem Verlauf der Wirtschaft uns zurücklehnen und die weiter notwendigen Strukturreformen verschieben. Ich hoffe, dass wir dieser Versuchung widerstehen, denn diese Strukturreformen sind unabhängig von Konjunkturentwicklungen aus langfristigen Gründen, hier nenne ich vor allen Dingen die Globalisierung und die demografische Entwicklung, dringen erforderlich.
Moderator: Zwei Fragen zum gleichen Thema wieder
Moderator: Frage von flitzer an Rainer Wend:    "War die Idee der Erbschaftssteuer-reform nicht eine der Unionsparteien? Mir kommt es durch einige Medien-Berichte so vor, als ob die reform schon stark verwässert wird und am Ende womöglich gar nicht das halten kann, was man erhofft. Wie sehen Sie das?"
Moderator: Frage von AWrede an Rainer Wend:    "Warum schmucken Sie sich mit der Reform der Erbschaftssteuer? Das war ein Ziel und Vorschlag der Union im BT-Wahlkampf 2006."
Rainer_Wend: Genauergesagt gab es einen Vorschlag zur Erbschaftssteuerreform der Landesregierung Bayern, der jetzt in modifizierter Form zur Entscheidung ansteht. Außerdem geht es nicht darum, dass ich mich mit fremden Federn schmücke, sondern ich habe auf die Frage geantwortet, welche Maßnahmen wir zur Stabilisierung des Wirtschaftswachstums vornehmen werden. Schließlich will ich auch nichts verwässern. Ich lege aber Wert darauf, dass die Priviligierung im Steuerrecht nur diejenigen betrifft, die Arbeitsplätze erhalten oder sogar schaffen. Da werden wir eine flexible Lösung finden.
Moderator: Frage von DeeJay an Rainer Wend:    "Herr Wend, Wie rechtfertigt die SPD Fraktion eigentlich den Widerspruch zwischen "Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" (aktueller Haushalt wäre sonst verfassungswidrig!) und der sich angeblich so stark aufhellenden Konjunktur, wie Steinbrück verkündete?"
Rainer_Wend: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht beruht bekanntlich nicht ausschließlich auf dem Faktor Wirtschaftswachstum, sondern fusst auch auf dem Indikator "Zahl der Arbeitslosen". Diese bedauerlicherweise immer noch sehr hohe Zahl hat es für den letzten Haushalt gerechtfertigt von einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auszugehen. Der in dieser Woche eingebrachte Haushaltsentwurf für das Jahr 2007 sieht wieder vor, dass die Investitionen die neuaufgenommenen Schulden übersteigen.
Moderator: Frage von DoubleB an Rainer Wend:    "Sind nicht "wettbewerbsfähige Steuern" zwangsläufig gleichzusetzen mit der Einigung auf die niedrigsten, sprich GAR KEINE sozialen Standards? Denn wie soll jemand wettbewerbsfähig sein, der nicht auch die 128-Stundenwoche zulässt? Wäre es da nicht sinnvoller in einem einheitlichen Wirtschaftsraum, wie es die EU ist, auf einheitlich hohe Standards zu setzen, statt gemeinsam Sozialabbau zu betreiben?"
Rainer_Wend: Zunächst bin ich nicht der Auffassung, dass Wettberwerbsfähigkeit ausschließlich durch das Senken von Standards zu erzielen ist. Beispielsweise die Ausbildung von Fachkräften, die Modernität von Fertigungsmethoden und die Qualität von Produkten entscheiden auch über die Wettbewerbsfähigkeit. Dennoch bin ich in der Tat mit Ihnen der Auffassung, dass es sinnvoll wäre, innerhalb der EU zu vergleichbaren Standards beispielsweise bei der Bemessungsgrundlage für Steuern zu kommen. Wir haben bei diesem Ziel auch so wichtige Länder wie Frankreich, Italien und Spanien an unserer Seite. Aber vor allem England, Irland und Polen verweigern sich, so dass wir bei diesem Prozess nicht so weit sind, wie ich mir das mit Ihnen wünschen würde.
Moderator: Frage von DeeJay an Rainer Wend:    "Nachfrage zum Haushalt: Soweit ich weiß, wurde der aktuelle Haushalt erst vor wenigen Monaten beschlossen, mit verzug, wegen der Neuwahl. Da war die Arbeitslosigkeit nicht wesentlich höher als jetzt!?"
Rainer_Wend: Das ist nicht ganz richtig, wir haben 450.000 Arbeitslose weniger, als vor einem Jahr. Dennoch ist es gut, dass wir aufgrund der Steuermehreinnahmen auf eine erneute geltendmachende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts verzichten können.
Moderator: Frage von Frame an Rainer Wend:    "Wie stehen Sie denn eigentlich zu den Forderungen der Gewerkschaften betreff Mindestlohn? Hat so ein Mindestlohn Ihrer Meinung nach eher Vor- oder eher Nachteile auf die wirtschaftliche Entwicklung?"
Rainer_Wend: Aus meiner Sicht überwiegen die Vorteile. Dumpinglöhne von 3 oder 4 Euro, die vor allem in den neuen Ländern gezahlt werden, sind nicht akzeptabel. Davon kann niemand sich selbst, geschweige denn seine Familie ernähren. In den meisten anderen Industrieländern, beispielsweise in den USA und Großbritannien macht man durchaus positive Erfahrungen mit dem Mindestlohn.
Moderator: Frage von anjaka an Rainer Wend:    "Als jemand, der in den USA lebt, stellt sich für mich die Frage, wieso der Arbeitsmarkt und allgemein Deutschland so stark überreguliert sein muss. Und wenn man mal etwas einfacher regeln will, dann stürzen sich sofort alle Bedenkträger drauf und am Ende hat man meist noch mehr Bürokratie und Aufwand als vorher. Wo sehen Sie konkret Handlungsbedarf und wie stark steht das im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung?"
Rainer_Wend: Ich hab die politische Erfahrung gemacht, dass hinter dem Wort "Vereinfachung des Arbeitsrechts" häufig in Wirklichkeit die Forderung nach Absschaffung des Arbeitsrechts stand. Mitbestimmung und Kündigungsrecht bleiben für mich in einer sozialen Marktwirtschaft unverzichtbar. Wenn dieses akzteptiert wird, bin ich sehr offen, über Vereinfachungen zu diskutieren. Beispielsweise bei Wahlverfahren für Gremien oder was Fristen in arbeitsrechtlichen Prozessen angeht.
Moderator: Frage von FreiSozi an Rainer Wend:    "Wie stehen sie eigentlich zum Kombilohn? Sind sie grundsätzlich dagegen oder dafür, oder haben sie sogar eine Kompromisslösung parat?"
Moderator: Da Herr Dr. Wend pünktlich gehen muss, bitte ich alle Fragenden um Verständnis, wenn ihre Fragen im Chat nicht mehr berücksichtig werden. Ich werde diese Fragen aber dann per eMail an Dr. Wend schicken, so dass er sie in den nächsten Tagen noch beantworten kann.. :)
Rainer_Wend: Ein flächendeckender Kombilohn ist nicht finanzierbar und würde auf Arbeitgeberseite zu unvertretbaren Mitnahmeeffekten führen. Ich kann mir allerdings die Einführung eines Kombilohns für bestimmte Personengruppen vorstellen. Insbesondere für junge Menschen bis 25 Jahre ohne Berufsausbildung und für über 50jährige Langzeitsarbeitslose. Diesen Personengruppen könnte man einen zeitlich befristeten und degressiv ausgestalteten Kombilohn zur Verfügung stellen, um ihnen den Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis zuer erleichtern.
Moderator: Frage von DeeJay an Rainer Wend:    "Sie weichen aus, Herr Wend! Der Haushalt 2006 war erst im Juni dieses Jahres in der 2. lesung, nicht vor einem Jahr! Im Juni waren es 4,397 Mio Arbeitslose, exakt dieselbe Zahl wie im AUgust 2006."
Moderator: Kommen wir zur letzten Frage für diesen Chat: Herr Dr. Wend: wo sehen sie Deutschland wirtschaftlich in 3 Jahren, wenn die nächste Bundestagswahl ansteht? Geben Sie bitte mal eine Prognose ab. Besonders was den Arbeitsmarkt betrifft ;)
Rainer_Wend: Das ändert nichts an meiner Argumentation, dass für den neuen Haushalt eine Berufung auf die Stärung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht erforderlich ist. Es wäre auch jetzt wieder rechtlich zulässig, aber es ist nicht nötig durch die gute Steuereinnahmen. Die hatten wir 2006 nicht.
Rainer_Wend: Das ist schwer zu sagen, weil wir eben auch von Bedingungen abhängig sind, die wir nicht selbst beeinflussen können (Rohstoffpreise, Währungsparitäten o.ä.). Wenn es dort nicht zu erheblichen Problemen kommt, hoffe ich, dass sich die Arbeitslosigkeit in Richtung der 3-Millionen-Grenze bewegt. Das setzt aber eine stabile Weltkonjunktur und eine Weiterverfolgung der Strukturreformen im Inneren voraus. Vielen Dank für die Frage, ich muss jetzt zum nächsten Termin.
Moderator: Damit sind wir auch schon am Ende unsres Chats.....
Moderator: Ich bedanke mich recht herzlich bei Herrn Dr. Wend für die Teilnahme an diesem Chat. Es hat mir viel Spaß gemacht und ich würde mich freuen, wenn Sie in einiger Zeit mal wieder teilnehmen würden. Ausserdem noch mein Dank an Haui, der für die Chat-Organisation zuständig war und Dank auch an alle Fragesteller :) Ich wünsche allen noch eine schöne Woche :)
Haui: Auch von meiner Seite ein herzliches Dankeschön.... und es war toll, dass die Organisation so schnell und einfach geklappt hat :)
Haui: Okay, ich werde mich nun auch verabschieden, habe gleich Juso-Sitzung ;) Bye Bye
Moderator: Ciao und danke nochmal ;)
: Moderator hat den Raum verlassen
Haui: Kein Problem, immer wieder gerne
: Haui hat den Raum verlassen
Rainer_Wend: ok, mach dann auch mal feierabend. Tschüss und vielleicht bis bald mal!