: Romani_Rose hat den Raum betreten |
: Romani_Rose hat den Raum verlassen |
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: Moderator hat den Raum betreten |
Moderator: guten abend, Herr Rose
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Moderator: Mein Name ist Oliver Specht, ich werde den Chat heute moderieren |
Romani_Rose: Auch Ihnen einen guten Abend |
Moderator: Wir warten noch bis 18 Uhr, dann erst können die User mitlesen. |
Romani_Rose: In Ordnung |
Moderator: Ich ändere mal meine Farbe, damit man besser unterscheiden kann |
Romani_Rose: Herzlichen Dank für die Organisation des Chat |
Moderator: Keine Ursache, bzw. moderiere ich heute nur :) Organisiert hat den Chat unsere Regierung. Link zum Kanzler: http://www.dol2day.com/index.php3?position=1700&pid=20111 |
Moderator: So, beginnen wir. |
Moderator: Guten Abend alle zusammen. Mein Name ist Oliver Specht, ich moderiere heute den Chat. Gast ist Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Them ades Chats ist "Sinti und Roma - Bürger dieses Staates" |
Moderator: Könnten sie sich kurz vorstellen, Herr Rose? |
Romani_Rose: Ich bin 1946 geboren, gelernter Kaufmann und seit 1982 Vorstizender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma |
Moderator: Vielen Dank. Unter http://zentralrat.sintiundroma.de/ finden sich mehr Informationen |
Moderator: Inwiefern kann man hinter das thema des heutigen Chats ein Fragezeichen setzen? Sind sinti und Roma Bürger dieses Staates und wie sieht es EU weit aus? |
Moderator: Frage von WibenPeter an Romani Rose: "Zum Thema des Chats: Würden die Sinti und Roma selbst ein Fragezeichen oder ein Ausrufezeichen setzen? also wie ist das Selbstverständnis?" |
Romani_Rose: Natürlich sind Sinti und Roma Bürger dieses Staates und das seit 600 Jahren. Das gleiche gilt in allen europäischen Ländern, wo sie ebenfalls seit Jahrhunderten beheimatet und Bürger dieser Länder sind. |
Moderator: Da ich nicht weiß, wie schnell Sie tippen, stelle ich einfach Fragen rein. Wenn es zu schnell geht, bitte kurz anmerken. |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Wie ist der Zentralrat der Sinti und Roma entstanden - zielt auf die Frage, womit sich der Zentralrat beschäftigt." |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Herr Rose, was schätzen Sie, wie viele Sinti und Roma heute noch nomadisch leben?" |
Moderator: Noch da? |
Romani_Rose: Der Zentralrat ist 1982 gegründet worden. Er ist die Dachorganisation von Landes- und Regionalverbänden und vertritt die deutschen Sinti und Roma auf der bundespolitischen und internationalen Ebene. Die Organisationsform ist vergleichbar mit dem Zentralrat der Juden. Hintergrund der Gründung die verweigerte Anerkennung der 500.000 Holocaustopfer der Sinti und Roma und ihre gesellschaftliche Benachteiligung in zentralen Fragen des gesellschaftlichen Lebens in unserem Land. |
Moderator: Inwiefern spielt diese Anerkennung (zitiert von Wikipedia) eine Rolle: "Eine entscheidende Zäsur in der Bürgerrechtsarbeit war der 17. März 1982, als der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt eine Delegation des Zentralrats empfing und in völkerrechtlich bedeutsamer Weise die NS-Verbrechen an den Sinti und Roma als Völkermord aus "rassischen" Gründen anerkannte. Dies wurde durch seinen Amtsnachfolger, Bundeskanzler Helmut Kohl, in einer Bundestagsdebatte im November 1985 noch einmal bestätigt. Bundespräsident Roman Herzog unterstützte das Anliegen, indem er 1997 erklärte, dass dem Völkermord an den Sinti und Roma der gleiche Rassenwahn und Vernichtungswille zu Grunde gelegen habe wie der Judenverfolgung." |
Romani_Rose: Nach Auskunft der Europäischen Union sind Sinti und Roma die größte Minderheit in Europa. Man spricht von 10 - 12 Millionen Angehörigen. Sinti und Roma leben in unserem Staat wie auch in den anderen Ländern als Arbeit, Kaufleute, Akademiker usw. Das unterstellte Nomadentum ist ein Klischee, wobei ich nicht bestreiten will, dass es auch bei uns wie bei der mehrheitsbevölkerung Menschen gibt, die keinen festen Wohnsitz haben. |
Moderator: Frage von WibenPeter an Romani Rose: "aber es gibt schon eine Verbindung über die Staaten hinweg? ein nicht natioanles Zusammengehörigkeitsgefühl? oder ist das mehr Klischee?" |
Romani_Rose: Diese völkerrechtliche Anerkennung des planmäßigen und systematischen Völkermords an 500 000 Sinti und Roma im NS-besetzten Europa war und ist eine wichtige Voraussetzung für die moralische, rechtliche und politische Anerkennung der Minderheit und für den Neubeginn des demokratischen Rechsstaats. Im Falle der jüdischen Minderheit hat die Bundesrepublik diese Anerkennung bereits 1949 mit der Gründung unserer Staates vollzogen. Dies war eine wichtige Voraussetzung, damit die neugegründete Bundesrepublik nach dieser Barberei in die Staatengemeinschft aufgenommen wurde. |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Danke, Herr Rose. Damit stellt sich mir natürlich die Frage, welche Rolle Sinti und Roma in der derzeitigen Gesellschaft spielen dürfen/wollen/sollen." |
Moderator: Ups, da war ich zu schnell... |
Romani_Rose: Natürlich sind Sinti und Roma in erster Linie von der Kultur ihres jeweiligen Heimatlanders geprägt. Es gibt natürlich eine Solidarität auch zu anderen Sinti und Roma in Bezug auf die Erfahrung des Holocaust. Das heisst, wir protestieren gegen Rassismus und Diskriminierung, die Sinti und Roma in besorgniserregender Weise in Ost- und Südosteuropa erfahren. Kulturell geprägt sind die Minderheiten von der jeweiligen Mehrheitskultur der Länder, in denen sie leben. |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Worin sehen Sie denn die Ursachen von Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma? Da wäre ja einerseits die Fremdheit zu vermuten, Rassismus, das sprachliche Defizit der "Normalbevölkerung" der Staaten, die ja meist die von Sinti und Roma gesprochene Sprache nicht beherrschen... oder denken Sie es gibt da einen Historischen Anlass/Anlässe?" |
Romani_Rose: Sie wollen sich für ihr Land als Sinti und Roma engagieren und Politik und Gesellschaft darf und sollte nicht die kulturelle Identität unserer Minderheit zum Gegensatz zu ihrer nationalen Identität als Deutsche machen. Die BRD ist ein Rechtsstaat, wo jeder sich gesellschaftlich und politisch so orientieren kann, wie es seinen Vorstellungen entspricht. |
Moderator: Frage von WibenPeter an Romani Rose: "Können sie etwas mehr zu den Problemen in Osteuropa sagen?" |
Romani_Rose: Vorurteile sind historisch bedingt. Sinti und Roma hatten in den vergangenen Jahrhunderten wie die Juden die Sündenbockfunktion. Der Antisemitismus ist ja nicht eine Erfindung der Nazis gewesen, ebensowenig wie der Antiziganismus. Er hat seine Gründe in der geschichte. Die Klischees über unsere Minderheit sind selbst bei denen lebendig, die nie Kontakt zu einem Angehörigen der Minderheit hatten. Klischees entstehen dadurch, dass man Vorwürfe gegenüber dem Einzelnen zum Merkmal seiner Religions- oder Minderheitenzugehörigkeit macht und diese Vorturteile allen Angehörigen der Minderheit zuschreibt. Die Nazis brauchten nur diese Klischees aufzugreifen, um damit ihre Verfolgungsmaßnahmen gegen unsere und die jüdische Minderheit gegenüber der damaligen deutschen Öffentlichkeit durchsetzen zu können. |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Der Völkermord an 500 000 Sinti und Roma ist natürlich ein bedeutendes Thema. Die Anerkennung dieser Opfer nicht minder wichtig. Dennoch fordern beispielsweise Jenische ein Gedenken aller "als Zigeuner verfolgten Menschen". Ist in dieser Hinsicht eine Zusammenarbeit denkbar?" |
Romani_Rose: Nach der politischen Wende im Jahr 1989 hat sich die Situation von Sinti und Roma in Ost- und Südosteuropa dramatisch verschärft. Es existiert ein offener und gewaltsamer Rassismus, der von der Politik, der Polizei und Justiz oftmals nicht mit der rechtsstaatlich gebotenen Schärfe begegnet wird. Westeuropa hat sich ein Wertesystem geschaffen, in dem Menschen- und Minderheitenrechte einen hohen Stellenwert haben. Die Staaten Westeuropas begenen Antisemitismus aufgrund der Erfahrung des Holocaust sehr entschieden. Dagegen wird die Gewalt gegenüber unserer Minderheit in Ost- und Südosteuropa ofmals verharmlost und ignoriert. Die Welt ist in Bezug auf den Antisemitismus aufgrund der geschichte sehr sensibel und tritt derartigen Erscheinungen sehr konsequent entgegen. Dagegen stoßen die erchreckenden Vormommnisse in Osteuropa kaum auf öffentliche Proteste der westeuropäischen Staaten. Darüber sind wir sehr besorgt. |
Moderator: Frage von DeeJay an Romani Rose: "Herr Rose, Mal eine vielleicht etwas naive Frage, aber ernsthaft gemeint: Ich persönlich würde ehrlich gesagt gar nicht erkennen, ob nun jemand Sinti oder Roma ist. ich würde vielleicht erkennen, dass derjenige nicht deutschstämmig ist - mehr aber nicht . Ich glaube, dass es vielen so geht, fühlen sich die Sinti und Roma denn tatsächlich auch in Deutschland geächtet oder gar bedroht? Oder sind das eher lokale Dinge in besonderen Stadtteilen oder so?" |
Moderator: Frage von WibenPeter an Romani Rose: "Zur Situation in Deutschland: ich habe auf der Internetseite des Zentralrats eine Umfrage von 2006 gefunden. Demnach sehen im Mittel gut die Hälfte der Befragten Diskriminierung im Alltag. Das ist schon recht viel. Aber über 90% fühlen sich durch die Presse diskriminiert. Wie kommt es dazu?" |
Romani_Rose: Es gibt eine Solidarität aller Opfer was die nationalsozialistischen Verbrechen anbelangt. Aber es ist immer wichtig, zunächst einmal aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass Sinti und Roma genauso wie die Juden nur aufgrund ihrer biologischen Existenz planmäßig und systematisch dem Völkermord zugeführt worden sind, vom Säugling bis zum Greis. Dies betraf die Jenischen nicht, die von Himmler als deutschstämmig bezeichnet wurden, wobei natürlich vereinzelt auch Jenische von den Kommunen und Städten auf die Transportlisten gesetzt wurden und in den KZ's als sogenannte "Zigeuner" ermordet wurden. |
Romani_Rose: Es kommt nicht darauf an, dass wir mit einem Schild herumalufen, auf dem unsere Minderheitenzugehörigkeit vermerkt ist. Es kommt darauf an, dass ich gegenüber meinem Nachbar, meinem Arbeitskollegen, meinem Sportskammeraden, meinem Vermieter, meinem Schulfreund usw. gegenüber ohne Ängste sagen möchte, dass ich Angehöriger einer Minderheit bin und dass dadurch nicht gleich Klischees wachgerufen werden und dadurch Ablehnung und Ausgrenzung entsteht. |
Moderator: Ich denke, die letzten beiden Fragen kann man zusammenfassend beantworten. |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Diskriminierungen sind natürlich in einem Rechtsstaat nicht tragbar. Gibt es denn Strategien bzw. Lösungsansätze die Diskriminierungen aufgrund von Vorurteilen abzubauen. Oder andersherum gefragt: Wenn man ebenfalls etwas gegen diese Diskriminierungen tun will: Was kann das sein und wie kann man das tun?" |
Moderator: Frage von Reim-und-Klang an Romani Rose: "Dass Sie über die erschreckenden Vorkommisse in Osteuropa besorgt sind, ist begreiflich. Aber auch hier in Westeuropa ist Antiziganismus ein selten genanntes Problem, auf das man nicht stößt, wenn man sich nicht ausdrücklich damit geschäftigt. Wie kann hier Abhilfe geschaffen werden, damit die Menschen für dieses Problem sensibilisiert werden?" |
Romani_Rose: Weil bei Vorwürfen gegenüber dem Einzelnen in weiten Teilen der deutschen Presse immer wieder die Minderheitenzugehörigkeit erwähnt wird. Dazu ist zu sagen, dass dies bereits gängige Praxis bei den Nazis war. Reichsinnenminister Frick hatte 1936 angeordnet, dass bei Vorwürfen gegen Juden und "Zigeuner" der Berichterstattung die Minderheitenzugehörigkeit als Jude oder "Zigeuner" herauszustreichen ist. Damit wurden die Vorwürfe systematisch zum Gruppenmerkmal der beiden Minderheiten gemacht. In einem Rechtsstaat hat aber nur der Einzelne sein Fehlverhalten zu verantworten. |
Romani_Rose: Gegen jede Form von Diskriminierung sollte man seine Stimme erheben. Rassismus ist ein Problem des gesellschaftlichen Zusammenlebens und Nichtvereinbar mit unserem Rechtsstaat. |
Moderator: Leider sind wir mit der Zeit jetzt durch. Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Kommen und hoffe, es hat allen Beteiligten Spaß gemacht. |
: Romani_Rose hat den Raum verlassen |
Moderator: Der Chat wird gleich als Transskript in unserem Archiv verfügbar sein. |
Moderator: Ich geh dann wohl auch mal :) Tschö! |
: Moderator hat den Raum verlassen |