Thema: Das Wort zum...Neuer Beitrag
Von: Compadre (Maduro) Das Volk 25.02.2019 09:47 Uhr
Traumata - Fiktion und Realität

Beim Nachdenken über Marx´ Zitat "Das Sein bestimmt das Bewusstsein" kann man auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen - womit wir beim Sein sind. So verstehe man auch, was der Psychologe Franz Ruppert damit meinte, als er sinngemäß sagte: "Kämpfe nicht mit den Überlebensstrategien der Menschen, denn dann werden sie sich nur weiter radikalisieren in ihren Fiktionen."

Der globale Spätkapitalismus ist ein Herrschaftssystem, in welchem keine konkreten Herrscher mehr sichtbar sind. Es agiert "das Kapital" als "automatisches Subjekt" (Marx). Das Kapital wirkt wie ein Gott, der sich die Menschen allesamt unterworfen hat. So scheint es jedenfall. Das Gift ist der unbeirrbare Glaube an den angeblichen Automatismus, den "Markt". Der Markt ist die Profitmaschine für die Profiteure. Die Profiteure haben ihre Staaten als Propaganda-Organe, die das Gift verspritzen: Du bist gut, wenn du alles für diesen Markt gibst, wenn du unserem Gott dienst. Wer rausfällt, habe es halt so verdient. Der sei ein Nichtsnutz, ein Versager. Niemand will ein Versager sein. Das Gift ist auch das Spiel der Demokratie, das die wahren Verhältnisse verschleiert, etwa die Waffengewalt, mit der die Minderheit die Mehrheit unterdrückt.

Die niemals so ausgesprochene aber immer so gemeinte Parole „Sei perfekt für den Markt oder stirb!“ muss traumatisieren. Niemand ist perfekt. Das produziert Todesängste davor, zu versagen. Diese Todesängste begleiten unser Leben, sie meißeln tief sitzende narzisstische Kränkungen und emotionale Spaltungen in unsere Psyche. Traumatisierte Menschen entwickeln immer psychische Überlebensstrategien, schlicht, um mit den fortgesetzten Traumatisierungen fertig zu werden.

Überlebensstrategen flüchten aus der Realität. Sie lügen sich die Umstände so zurecht, dass sie in ihrer Fantasie eine bessere soziale Stellung in der Gesellschaft haben, als dies der Fall ist. Nur so können sie fortgesetzte, immer neue narzisstische Kränkungen vermeiden. Reicht diese Realitätsflucht nicht aus, um die tatsächlichen Umstände ausreichend zu verschleiern, klammern sich viele an Ideen, die jeglicher Analyse entbehren.

Diese Ideen sind offenbar ein Überlebenselixier. Das kann religiöser, nationalistischer oder rassistischer Wahn sein, um die gestörte Ich-Identität im Außen herzustellen. Das können aber auch andere Fiktionen sein, wie etwa die der „utopischen Sozialisten“, die schöne Konzepte basteln, aber jedes nähere Befassen mit der Realität exzessiv verweigern. Darum haben sie keinen Plan, wie diese umgesetzt werden könnten. Und sie verweigern diesen Plan auch. Begleitend dazu tritt fast immer die Projektion auf. Eine identifizierbare Minderheit oder ein Detail im Wirtschaftssystem wird zum Übel erklärt.

Wenn man nun gegen diese Wahnvorstellungen, Fiktionen und Projektionen argumentiert, fühlen sich viele offenbar schwer narzisstisch gekränkt. Sie schalten ab, toben, als wolle ihnen der Autor der Analyse persönlich ans Leder. Statt zu argumentieren, keifen, beschimpfen und erniedrigen sie verbal. Sie radikalisieren sich nur noch weiter in ihren Fiktionen, Wahnvorstellungen, Projektionen. Dahinter steht – so könnte man annehmen – Todesangst.

Wie kann man unter diesen Umständen auch nur irgendwas erreichen? Packe die Menschen an ihren Leidenschaften. Schauen wir in die Geschichte etwa der kubanischen Revolution, dann erkennen wir überall dort, wo auch nur irgendwas Positives für die Mehrheit bewirkt wurde bzw. Ansätze da waren, eine Konstante: Es gab charismatische Führungspersönlichkeiten, die es geschafft haben, die Menschen mit Populismus für das Ziel „Befreiung“ einzunehmen. Voraussetzung war immer, dass Führungspersonen die Menschen emotional auch für sich selbst begeistern konnten. Was freilich einer erneuten Fiktion gleichkommt – aber eben an die erlernten Überlebensstrategien der Masse anknüpft.

Selbiges praktizieren auch Faschisten, wie wir wissen. Und es gelingt ihnen ja auch, wenn eine entsprechende Person da ist – so traurig diese Erkenntnis ist. Aber da ist eine Konstante, immer wieder, auch wenn wir weiter in die Geschichte zurückblicken. Man sieht, dass der Versuch, Menschen argumentativ von ihren teils irrational erscheinenden Überlebensstrategien abzubringen, rein gar nichts nützt. Man muss sie begeistern und mit ihren Fiktionen arbeiten, wenn man was erreichen will.

Das stimmt nicht froh, im Gegenteil. Aber es scheint doch so zu sein. Man müsste also den Geldsystemkritikern sagen: Wir machen Revolution und dann kriegt ihr euer schönes Geldsystem. Den BGE-Fans müsste man sagen: Wir machen Revolution und dann setzen wir euer BGE-Konzept um. Den Nationalisten und religiös Fixierten müsste man sagen: Wir machen Revolution und ihr kriegt jeweils eure Kommune, die ihr dann Deutschland oder wie auch immer nennen dürft, die ihr verwalten könnt und selbst bestimmt, wer da rein darf. Und so weiter.

Das ist eine rein pragmatische Feststellung, die Angst macht. Aber ist es nicht eine Illusionen, Millionen und Milliarden Menschen argumentativ überzeugen zu können? Argumente heilen Traumatisierte nicht. Man kann einem schwer Depressiven auch nicht einfach sagen: Nun reiß dich aber mal zusammen. Das führt denjenigen nur weiter in die Depression.
Von: Compadre (Maduro) Das Volk 18.02.2019 20:06 Uhr
heute mal zum Montag.

Frewillige Selbstverpflichtung oder: Wie Politik auf ihren gesetzgeberischen Auftrag verzichtet, um Lobbys zu gefallen.

In der letzten Zeit war in der Presse desöfteren von „freiwilligen Selbstverpflichtungen“ zu lesen, so z.B. allein in den letzten beiden Wochen in den Bereichen Deklarierung von Schweinefleisch, Reduktion des Anteils von Zucker, Fett und Salz in Fertiggerichten oder auch bei Kleidung. Und davor u.a. im Bereich von Plastiktüten.

Fangen wir mal mit den letztgenannten an. Die Weltmeere sind voll mit Plastikmüll und die Auswirkungen auf das Ökosystem unabsehbar. 2016 meinte der Gesetzgeber Handlungsbedarf zu erkennen. Dabei ging es aber nicht darum, sich dem Problem „Verpackung“ und deren Vermeidung anzunehmen, sondern um Symbolpolitik. Während im Handel viele Sachen mehrfach und auch zu groß verpackt- oder völlig unnötig, wie z:B. Cellophan um eine Gurke, Obst in Kartons und Cellophan um nur 2 Beispiele zu nennen- beschränkte man das Problem einzig und allein auf Plastiktüten. So weit, so schlecht. Gesetzgebungstechnisch wäre es ein leichtes gewesen, Plastiktüten zu einem Stichtag zu verbieten. Stattdessen einigte man sich 2017 mit den Mitgliedsunternehmen des Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) auf eine „freiwillige Selbstverpflichtung“, Plastiktüten zum einen kostenpflichtig zu machen und zum anderen deren Verbrauch zu reduzieren. Allerdings gilt diese „freiwillige Selbstverpflichtung“ nur für Mitgliedsunternehmen des HDE. Alle anderen dürfen sich zu nichts verpflichtet fühlen. Warum? Weil der Gesetzgeber vor der Lobby kuscht, statt durch Gesetze durchzuregieren.

Ein Einzelfall? Mitnichten.

Als es vor einigen Jahren in Bangladesch zum Brand in einer großen Textilfabrik kam und die dortigen Produktionsbedingungen auch für den Letzten offen zutage traten rief das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das sog. „Bündnis für nachhaltige Textilien“ ins Leben. (https://www.bmz.de/de/mediathek/publikationen/reihen/infobroschueren_flyer/flyer/textilbuendnis.pdf). Dieses Bündnis war wiederum so erfolglos, dass Minister Müller voriges Wochenende für Schlagzeilen sorgte, als er die deutsche Textilwirtschaft mit einem Gesetzentwurf zu einem Wertschöpfungskettengesetzt wohl eher kalt erwischte. Die taz fasst den Sinn des Gesetzes so zusammen; „Der Entwurf enthält ein neues Gesetz für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen sowie geplante Änderungen unter anderem im Handelsgesetzbuch. Es wird genauer definiert, welche Pflichten hiesige Firmen für ihre Ableger und Auftragnehmer im Ausland haben. Dabei geht es um soziale und ökologische Standards, die in diversen internationalen Abkommen niedergelegt sind, aber heute oft nicht durchgesetzt werden Grundsätzlich müssten Unternehmen mit Sitz in der Bundesrepublik dann stärker darauf achten, dass beispielsweise die Fabrikgebäude in Ostasien sicher gebaut sind und nicht zusammenbrechen, die Beschäftigten dort existenzsichernde Löhne erhalten, die maximal zulässige Arbeitszeit nicht überschritten und die Umgebung nicht durch giftige Chemikalien verseucht wird.“ Ob der Minister wirklich ernst macht mit einem derartigen Gesetz? Wir sind gespannt. Allerdings steht zu befürchten, dass die bestehende „freiwillige Selbstverpflichtung“ nur etwas leicht überarbeitet wird und sich dann alle zufrieden auf die Schulter klopfen. Womit keinem Beschätigten in z.B. Bangladesh gedient ist.

Ein letztes Beispiel für freiwillige Selbstverpflichtungen und wie man verhindert, dass Experten in einer Expertenkommission sitzen lieferte vorige Woche die Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner. Konkrekt ging es um die Gesundheit der Bevölkerung und das Ziel, Zucker, Salz und Fette in Fertiggerichten zu reduzieren. Hierzu berief Julia Klöckner ein sogenanntes „Expertengremium“. Die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) sah jedoch von einer Teilnahme ab, als klar war, dass es nicht um gesetgeberische Maßnahmen, sondern um eine freiwillige Selbstverpflichtung geht, bei der nur mitmachen muss, wer Lust hat. Wer keine Lust hat, muss auch keine Zucker, Salze und Fette in Fertiggerichten reduzieren. Wer nachlesen will, wie Klöckner ihre Aufgabe sieht, dem sei

https://www.deutschlandfunk.de/lebensmittelhersteller-und-zuckerreduktion-kloeckner.1766.de.html?dram:article_id=436445

empfohlen. Last but not leas erdreiste sich Klöckner bezüglich der Nicht-Teilnahme der DDG das folgende Statement abzugeben, das wir der pharmazeutisichen Zeitung entnommen haben:

„Klöckner bedauerte die Absage. Wer nicht mitmache, nehme sich die Möglichkeit, sich konstruktiv einzubringen, sagte sie. Aus ihrem Ministerium hieß es, der Prozess werde »auch weiterhin mit einem engen wissenschaftlich fundierten Monitoring begleitet« und sei transparent und überprüfbar. Die externe Beteiligung sei »ausdrücklich erwünscht«, der Deutschen Diabetes Gesellschaft stünden die Türen weiter offen.“
Wir fragen uns, ob Klöckner, unter „wissenschaftlich fundierten Monitoring“ versteht, wenn die Industrie dieses selbst liefert.
Alle geschilderten Fälle zeigen, zu wessen Wohl hier regiert wird. Zum Wohl dessen, der die Regierung und die Amtsinhaber legitimiert- eindeutig nicht.. Das muss dringend geändert werden. Nehmen wir als WählerInnen und Verbraucher die Politik in die Pflicht und fordern verbindliche und sinnvolle Regelungen, die wissenschaftlich fundiert sind und keine freiwilligen unverbindlichen Selbstverpflichtungen!