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Fragenübersicht Novus via stellt steuerpolitische Grundvorstellunegn vor: Einführung einer Vermögenssteuer, Anpassung des Einkommensteuertarifs, Maßnahmen gegen Steuerdumping. Wie bewertest du diesen Programmpunkt?
1 - 20 / 58 Meinungen+20Ende
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27.09.2019 14:12 Uhr
Ich finde diese Forderungen durchweg sehr gut.

Nur den vorletzten Punkt verstehe ich nicht wirklich.
Vielleicht kannst Du das mal näher ausführen.
27.09.2019 14:15 Uhr
Zitat:
- die Einführung einer Vermögenssteuer auf besonders hohe Vermögen

Nein, ich bin gegen eine Neidsteuer.
Fairness und "Gleichheit" erreicht man nicht, indem man denen, die vermeintlich unfairerweise mehr haben, als man selbst, was wegnimmt. Das funktioniert nur in Märchen und sozialistischen Utopien.

Zitat:
- die Verschiebung des Einkommensteuertarifs zu Gunsten kleinerer Einkommen

Jup.

Zitat:
- eine Anzeigepflicht auch für innerstaatliche Steuergestaltungsmodelle, mit denen die Steuerbelastung minimiert bzw. eine Besteuerung umgangen wird

Brauch ich mehr Input zu, kann ich so noch nichts zu sagen.

Zitat:
- eine globale Mindestbesteuerung, um ein "race to the bottom" effektiv zu vermeiden

Brauch ich mehr Input zu, kann ich so noch nichts zu sagen.

Zitat:
- eine Veränderung des Steuerrechts, die dazu führt, dass Unternehmen dort steuerpflichtig sind, wo sie eine signifikante digitale Präsenz aufweisen (sg. "Digitalsteuer")

Da hätt ich gern die Hintergrundidee/Motivation zu erklärt bekommen.

Zitat:
- die Stärkung der Finanzverwaltungen zur effektiven Bekämpfung von Steuerhinterziehung

Jup.

Ergebnis: insgesamt eher positiv.
27.09.2019 14:22 Uhr
Zitat:
Nur den vorletzten Punkt verstehe ich nicht wirklich.
Vielleicht kannst Du das mal näher ausführen.


Ja. Das kann man sich am besten anhand eines digitalen Großkonzerns wie Amazon vorstellen. Das Problem ist hier, dass das Steuerrecht bisher klassisch so gestaltet ist, dass im Grunde das Prinzip gilt: Da wo du physisch bist, da musst du auch auf deinen Ertrag die Steuer bezahlen. Das funktioniert gut bei einem Fabrik, beim Supermarkt oder beim Einzelhändler, das funktioniert aber überhaupt nicht gut bei Amazon, eBay und den etlichen anderen Plattformmodellen. Die Marktanteile verschieben sich in vielen Segmenten hin genau zu diesen Plattformmodellen, was dann bedeutet, dass dem Staat Steuereinnahmen entgehen. Denn Amazon ist ja "physisch" nicht hier, sondern in den USA, hat vielleicht noch einen steuerlichen Sitz in Luxemburg. Faktisch, nicht physisch, ist diese Plattform hier aber doch da. Sie schaltet eine Website für Deutschland zu, auf der du bestellst, einkaufst, liefern lässt. Damit generiert die Plattform ihren Umsatz und erzielt Gewinne. Durch diese "digitale" Verschiebung wird es für den Staat immer schwieriger, die Steuern auf den Ertrag einzutreiben. Es fehlt am "Substrat".

In der Öffentlichkeit gibt es deshalb Diskussionen um den sehr abstrakten Begriff der "Digitalsteuer". Dabei geht es nicht darum, "Digitales" an sich zu besteuern, also eine neue Steuer einzuführen. Sondern das Steuerrecht insgesamt so auszurichten, dass es weniger um den Standort des Unternehmens an sich geht, sondern um die Frage, wie signifikant das Unternehmen in einem Staat auftritt.

Eine Idee ist, zukünftig zu sagen: Wir richten die Besteuerung nicht danach, wo das Unternehmen seinen Sitz hat, sondern danach, wo das Unternehmen "signifikant präsent" ist. Im Fall von Amazon und co.: Wo dicke Umsätze gefahren werden. Dafür tut man dann so, als hätte Amazon seinen Sitz in Deutschland, obwohl das faktisch nicht so ist und würde das dann "fiktiver Sitz" nennen.

Ist einer von - ich glaube drei - großen Vorschlägen, die in der OECD diskutiert werden, um diesen Steuerverlagerungen Herr zu werden. Wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, zahlen die großen Digitalkonzerne hier im Schnitt um die sieben bis acht Prozent Steuern, während "herkömmliche" Unternehmen die normale, höhere Steuerlast tragen. Das soll damit angepackt werden.
27.09.2019 14:25 Uhr
Frage: würde das nicht letztlich lediglich dazu führen, dass Unternehmen wie Amazon irgendwann einfach sagen "sorry, aber nach DE liefern wir net"?

Andere Frage: was, wenn andere Länder auf ähnliche Steuerideen kommen?
27.09.2019 14:26 Uhr
@Kaffeetasse, Frage zur Neidsteuer.
Was schlägst du alternativ vor?
27.09.2019 14:29 Uhr
Zitat:
@Kaffeetasse, Frage zur Neidsteuer.
Was schlägst du alternativ vor?

Ich sehe "manche haben sehr viel mehr Geld als andere" gar nicht als Problem an. Ich sehe das Problem, dass gerade jene, die halt nicht viel haben, entlastet werden müssten. Das ließe sich über kurzzeitige Neuverschuldung und Einsparungen sowie

Zitat:
- die Verschiebung des Einkommensteuertarifs zu Gunsten kleinerer Einkommen


lösen.
27.09.2019 14:31 Uhr
Zitat:
Frage: würde das nicht letztlich lediglich dazu führen, dass Unternehmen wie Amazon irgendwann einfach sagen "sorry, aber nach DE liefern wir net"?


Das ist einer der Gründe, die benannt werden, um nationale Digitalsteuermodelle abzulehnen. Das Risiko ist wohl auf manchen Märkten da, auf dem deutschen eher nicht, weil die meisten "Big Player" ihr Europageschäft teilweise stark auf das sehr umsatzstarke Deutschland ausrichten. Frankreich z.B. hat inzwischen eine nationale Steuer eingeführt, die sich aber auf Werbeeinnahmen und den Verkauf pers. Daten bezieht. In Deutschland gibt es insgesamt eher den Trend , es mindestens mit einem EU-, besser einem globalen Modell zu versuchen. Ich bin mir selbst nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht finde, für beides gibt es Argumente

Zitat:
Andere Frage: was, wenn andere Länder auf ähnliche Steuerideen kommen?


Deshalb werden die echten Verhandlungen dazu vorwiegend auf EU- und OECD-Ebene geführt. Der Ansatz scheint sich aber langsam durchzusetzen, so weit ich es weiß sind die USA da sogar ziemlich progressiv unterwegs.
27.09.2019 14:39 Uhr
Zitat:
Zitat:
@Kaffeetasse, Frage zur Neidsteuer.
Was schlägst du alternativ vor?

Ich sehe "manche haben sehr viel mehr Geld als andere" gar nicht als Problem an. Ich sehe das Problem, dass gerade jene, die halt nicht viel haben, entlastet werden müssten. Das ließe sich über kurzzeitige Neuverschuldung und Einsparungen sowie

Zitat:
- die Verschiebung des Einkommensteuertarifs zu Gunsten kleinerer Einkommen


lösen.


Die Schere ginge dann aber weiter auseinander, denn die, die dann entlastet werden, konsumieren mehr. Indem sie konsumieren, erhöhen Sie das Einkommen derer, die sowieso schon mehr haben.

Es sei denn, du hast nur totes Kapital im Sinn.
27.09.2019 14:44 Uhr
Zitat:
Die Schere ginge dann aber weiter auseinander, denn die, die dann entlastet werden, konsumieren mehr. Indem sie konsumieren, erhöhen Sie das Einkommen derer, die sowieso schon mehr haben.


Wenn einer ein Unternehmen besitzt und sein Geld damit verdient, dass er anderen Zeug verkauft, habe ich kein Problem damit. Warum auch.

Ich habe kein Problem damit, dass wir nicht alle reich sein können.
27.09.2019 14:49 Uhr
Zitat:
Brauch ich mehr Input zu, kann ich so noch nichts zu sagen.


Du hast in vielen vor allem unternehmerischen Belangen ja die Situation, dass du nicht nur auf die "eine Weise" Steuern zahlst. Aus der Steuererklärung kennen wir das alle, wenn wir zum Steuerberater gehen und gucken, was man so veranlagen und was nicht, um das zu versteuernde Einkommen zu drücken und eine Steuererstattung zu bekommen. Im Kern machen wir dann damit nichts anderes, als die Möglichkeiten des Steuerrechts auszunutzen. Wenn du die magische Grenze überschreitest und falsche/unrichtige/unvollständige Angaben vorsätzlich machst, um keine oder wenige Steuern zu zahlen, ist dass das was wir als Steuerhinterziehung kennen und damit eine Straftat.

Zwischen diesem Ausreizen von steuerrechtlichen Vorschriften und der Steuerhinterziehung ist extrem viel Luft. Bei "normalen" Arbeitnehmern, die ein einziges Arbeitseinkommen und vielleicht noch ein bisschen Zinserträge zu versteuern haben, ist das keine große Sache. Da ist es zwar schon Steuervermeidung, dass man seine Freundin heiratet - aber das ist kein Problem.

Der Unterschied zur Unternehmensbesteuerung ist hier, dass es dort Modelle gibt, um steuerrechtliche Schwächen systematisch und strukturell auszunutzen. Das fängt damit an, Bilanzen zB so zu gestalten, dass Aktiva minimiert werden, geht weit darüber hinaus und wird richtig problematisch, wenn es zu internationalen Steuergestaltungen kommt. Dann wird meist die fehlende Synchronisierung zwischen zwei verschiedenen Steuerrechten ausgenutzt. In der Zeitung liest man dann was vom "Double Irish with a Dutch Sandwich" und ähnlichen wohlklingenden Namen.

Nun ist es aber nicht so, dass zwischen normaler Steuervermeidung und strafbarer Steuerhinterziehung nur viel Luft - und nicht wie angedeutet - sonst nichts wäre. Es gibt zusätzlich noch den verbotenen Missbrauch von steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Im Grunde, weil man weiß, dass Steuerrecht immer so kompliziert sein wird, dass sich auch immer eine Lücke findet, mit der man auf unangemessene, aber nicht strafbare Weise Geld am Fiskus vorbeitragen kann.

Solche (standardisierten; derartige Modelle werden entwickelt und auch verkauft) Modelle zu erkennen und abzustellen, ist für die Steuerverwaltung wiederum häufig nur ganz schwer möglich. Deshalb soll es eine Verpflichtung geben, Steuergestaltungsmodelle dem Finanzamt zu melden. Nun ist der Programmpunkt hier etwas unzureichend formuliert: Es soll insbesondere auch um internationale Steuermodelle geben. Denn gegen diese Anzeigepflicht ist der Widerstand größer.

Die Idee dahinter ist klar: Jeder soll seinem Ertrag nach zur Finanzierung des Staates herangezogen werden, er/sie nutzt ja auch die Infrastruktur. Wenn der/die eine das extrem geschickt in enormem Umfang umgeht, ist das nicht in Ordnung und führt auch zu gesellschaftlichen Problemen, weil die Steuerausfälle von anderen aufgefangen werden müssen


Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 27.09.2019 14:50 Uhr. Frühere Versionen ansehen
27.09.2019 14:52 Uhr
Um mal ein ganz plastisches Beispiel zu bringen: CumEx-Geschäfte wurden für lange Zeit von sehr vielen - leider auch von vielen Finanzverwaltungen - für zulässige Steuergestaltungen gehalten, bis irgendwann erst klar wurde, dass hier der Verdacht einer ganz knallharten Steuerhinterziehung besteht.

Diese Meinung wurde zuletzt geändert am 27.09.2019 14:52 Uhr. Frühere Versionen ansehen
27.09.2019 15:01 Uhr
Was sind denn diese besonders hohen Vermögen, für die die Vermögenssteuer erhoben werden soll?

Als Bewohner eines westdeutschen Ballungsgebiets hat sich mein Vermögen massiv dadurch erhöht, dass meine Immobilie an Wert gewonnen hat.

Je nach dem, wie ihr euch diese Steuer vorstellt, könnte ich gezwungen sein, diese selbst bewohnte Immobilie zu verkaufem, weil ich die Steuerlast nicht tragen kann.
27.09.2019 15:05 Uhr
Habt ihr eine konkrete Idee für das Steuersystem?

Wenn man zB den steuerfreien Grundbetrag erhöht, kommt das automatisch auch hohen Einkommen zugute, wenn man nicht "oben" entsprechend erhöht.
27.09.2019 15:06 Uhr
Ich stelle es mir schwierig vor, diese Steuersparmodelle so zu definieren, dass eine Meldepflicht daraus entsteht.

Das könnte man nur sauber lösen, indem man dafür sorgt, dass jede Form von Einkommen zu versteuern ist, sei es über die Einkommenssteuer oder die Kapitalertragssteuer oder sonst wie.
27.09.2019 16:30 Uhr
Wieviel Ignoranz und Arroganz braucht es, die Vermögenssteuer als eine "Neidsteuer" zu bezeichnen?
27.09.2019 17:20 Uhr
Zitat:
Was sind denn diese besonders hohen Vermögen, für die die Vermögenssteuer erhoben werden soll?

Als Bewohner eines westdeutschen Ballungsgebiets hat sich mein Vermögen massiv dadurch erhöht, dass meine Immobilie an Wert gewonnen hat.

Je nach dem, wie ihr euch diese Steuer vorstellt, könnte ich gezwungen sein, diese selbst bewohnte Immobilie zu verkaufem, weil ich die Steuerlast nicht tragen kann.


Selbstbewohnte Immobilien sind für mich kein Vermögen.

Für mich ist Vermögen, wenn man von den Zinsen sehr auskömmlich leben kann.

Aber ich denke, dass ist Ansichtssache.
27.09.2019 17:56 Uhr
Zitat:
Für mich ist Vermögen, wenn man von den Zinsen sehr auskömmlich leben kann.


Halte ich für eine vernünftige Diskussionsbasis.
27.09.2019 18:00 Uhr
Zitat:
Selbstbewohnte Immobilien sind für mich kein Vermögen.

Sind sie schon, denn Du kannst diese Immobilien beleihen und Dir dadurch "Spielgeld" verschaffen, mit dem Du Dein Vermögen erhöhen kannst. Sooo einfach ist das alles nicht.

Außerdem ... wie willst Du die Immobilie bewerten, die sich jemand angeschafft hat, um im Alter von den Mieteinnahmen leben zu können bzw. die Rentenkürzungen der letzten Jahrzehnte auszugleichen? Das ist dann "Vermögen" weil man nicht selber darin wohnt, obwohl man die Mieteinnahmen braucht, um ggf. die Miete für die selbstbewohnten Wohnung bezahlen zu können?

Da sehe ich übrigens auch das Problem beim aktuell in Berlin diskutierten "Mietendeckel".
27.09.2019 18:03 Uhr
Zitat:
Zitat:
Was sind denn diese besonders hohen Vermögen, für die die Vermögenssteuer erhoben werden soll?

Als Bewohner eines westdeutschen Ballungsgebiets hat sich mein Vermögen massiv dadurch erhöht, dass meine Immobilie an Wert gewonnen hat.

Je nach dem, wie ihr euch diese Steuer vorstellt, könnte ich gezwungen sein, diese selbst bewohnte Immobilie zu verkaufem, weil ich die Steuerlast nicht tragen kann.


Selbstbewohnte Immobilien sind für mich kein Vermögen.

Für mich ist Vermögen, wenn man von den Zinsen sehr auskömmlich leben kann.

Aber ich denke, dass ist Ansichtssache.

Das heißt, bei gleichen Finanzmitteln gilt, je dämlicher jemand sein Geld anlegt, umso eher wird er von der Vermögenssteuer befreit?
27.09.2019 18:05 Uhr
In meiner Welt beginnen "besonders hohe Vermögen" bei fünf, vielleicht bei zehn Millionen Euro.

Außerdem sind wir da in Bereichen, wo die Vermögenssteuer durch "Einnahmen aus Kapitalvermögen" wieder soweit ausgeglichen wird, daß selbst meine Tante nicht mehr von "kalter Enteignung" sprechen dürfte.
  GRUENE   IDL   SII, KSP   FPi
  CKP, KDP   UNION   NIP   PsA
  LPP   Volk, Sonstige
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